So schreibt und hört Komponist Lukas Lauermann Musik

Lukas Lauermann ist als Komponist und Cellist in vielen Sparten zu Hause: von Pop, Folk, Jazz bis zu moderner Musik. Ab Jänner steht er im Volkstheater auf der Bühne.

Betörend, sinnlich, einnehmend, ohne vordergründig zu sein – so könnte man Lukas Lauermanns Musik beschreiben. Doch eigentlich ist sie zu vielschichtig, um sie in Worte zu fassen. Eine Innenschau, ein Selbsterkunden ist das Komponieren und Improvisieren für den Cellisten, der vor Kurzem mit dem Anerkennungspreis für Musik des Landes Niederösterreich ausgezeichnet wurde. „I N“ heißt auch sein jüngstes Solo-Album, erschienen bei col legno: Es geht ums „In-sich-Gehen und dabei In-Put von außen bekommen, ums Vers-IN-ken und ums H-IN-hören“.

So konzeptuell der Text im CD-Booklet auch klingt: Die Musik ist in erster Linie emotional und hochpoetisch. Sie entfaltet einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann oder will. Und doch, das ist Lauermann wichtig, ist das Album „keine Ansammlung von Stücken, die so daherkommen. Der intellektuelle Unterbau, der Aufbau und die Form sind mir wichtig.“ Da das Komponieren aber am Instrument stattfindet und er seine Stücke auch selbst spielt, haben sie nichts Unnahbares oder Sperriges. „Ich merke beim Spielen, ob etwas länger trägt oder ob es etwas anderes braucht. Und live können sich Stücke noch einmal verändern, je nach Raum funktionieren da auch manche Sachen besser als andere.“
Barrierefreie moderne klassische Musik – so würde der bubenhafte 36-Jährige seine Kompositionen nennen.

Christine Pichler

„Ich will einen niederschwelligen Zugang zur modernen Musik bieten. Man hat da ja oft Barrieren im Kopf. Ich bewege mich überwiegend im tonalen Bereich. Aber sicher gibt es Teile dazwischen, wo es für manche klanglich anspruchsvoll ist.“ Er selbst hat als Kind schon „komplexeste Sachen“ gehört: Helmut Lachenmann, Luigi Nono, Olga Neuwirth. „Das ist eine Ästhetik, die viel vo­raussetzt, um da wirklich einzusteigen.“ Das Komponieren, Musizieren und Musikhören war Lauermann quasi in die Wiege gelegt, ganz ohne Druck, wie er sagt.
Sein Vater, Herbert Lauermann, ist Komponist und unterrichtete bis im Vorjahr Komposition an der Wiener Musikuni. Mit sechs Jahren begann Lukas Lauermann Klavier zu spielen, mit zehn wollte er ein weiteres Instrument dazulernen. Wie er gerade aufs Cello kam, weiß er heute nicht mehr. „Ich hatte eine Schnupperstunde in der Musikschule Stockerau, und eigentlich war mir die Lehrerin nicht sympathisch.“ Trotzdem blieb er dran, ohne Wettbewerbe oder große Erwartungen. „Es war ein Hobby wie andere auch. Zeitweise habe ich viel lieber Fußball gespielt.“

Gegen den Strom

Dass er nach der Schule etwas Künstlerisches machen würde, war Lukas Lauermann aber klar. Nach einer Figurentheater-Phase (mit Stationen im Marionettentheater Schönbrunn und dem Kabinetttheater) entschied er sich aber doch fürs Musikstudium. Instrumental- und Gesangspädagogik absolvierte er, das Lehren ist ihm auch als „Österreichs oberster Pop-Cellist“, wie er gern betitelt wird, ein Anliegen. Er unterrichtet Cello an der Musikschule Prinzersdorf bei St. Pölten und ist derzeit froh, dass der Lockdown Einzelunterricht zulässt. „Einem Fünfjährigen über den Bildschirm etwas zu erklären ist schwierig. Online-Unterricht ist ein reines Bei-der-Stange-Halten.“

Orchestermusiker oder klassischer Cellist zu werden, das lag Lauermann von Anfang an fern. „Ich wollte immer die Vielfalt haben.“ In vielen Konstellationen spielte und spielt er Popmusik, etwa mit Soap & Skin, Donauwellenreiter oder Alicia Edelweiss. Mit Emily Stewart und Judith Ferstl widmete er sich der „Anatomy of Melancholy“ , einer Mischung aus Klassik, Jazz und Folk, das Album ist ebenfalls bei col legno erschienen. „Ich will die Unmittelbarkeit von Popmusik mit der intellektuellen Herangehensweise mancher klassischer Musik verbinden“, sagt Lauermann.

Lösbare Krise

Mit der Coronakrise hat er auf der persönlichen Ebene kein Problem. „Ich probe gerade am Volkstheater ,humanistä!‘ nach Texten von Ernst Jandl. Da spiele ich Cello. Die Premiere ist auf Jänner verschoben.“ Der Künstler sieht sich als privilegiert, weil finanziell abgesichert. „Es gibt Veranstalterinnen und Veranstalter, die auch bei Absagen zahlen. Und auch der Überbrückungsfonds funktioniert schnell und umkompliziert.“ Sorgen macht sich Lauermann hingegen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade als Künstler erachtet er es als seine Aufgabe, zu schauen, was rundherum passiert. „Und das ist zur Zeit bedrückend. Der Umgang miteinander, das Impfthema, das spaltet, und andere Probleme, die durch den Lockdown virulent werden.“

»„Gerade als Künstler muss ich auch schauen, was rundherum passiert.“«

Gesellschaftliche Schichten würden vernachlässigt und vergessen, das räche sich jetzt. „Ich gehöre sicher nicht zu den Großverdienern, aber ich wäre bereit, Abstriche hinzunehmen. Man wird das Ganze besser verteilen müssen.“ Dabei sieht er die Coronakrise als lösbare Herausforderung, denn man könne auf die Wissenschaft hören und planen. „Wie wird das erst bei schwierigeren Problemen wie dem Klimawandel?“, fragt er sich. Wenn er nicht probt, spielt oder komponiert, zieht es Lauermann in Museen, etwa zu Mark Rothko. „Außerdem sind Musikerinnen und Musiker gesellige Menschen. Wir gehen gern auf ein Bier.“ 

Tipp:

„I N“. Im zweiten Soloalbum von Lauermann erklingen neben dem Cello auch Stimmgabeln, Synthesizer und Klavier. www.col-legno.com

("Die Presse Schaufenster" vom 10.12.2021)

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