Skifahren

Wie sich Skigebiete neu erfinden (müssen)

Puchberg am Schneeberg: Das kleine Skigebiet in Wien-Nähe hat seinen Schlepplift nur am Wochenende in Betrieb.
Puchberg am Schneeberg: Das kleine Skigebiet in Wien-Nähe hat seinen Schlepplift nur am Wochenende in Betrieb.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Ötscherlifte sind vorerst gerettet, das klassische Skifahren wird dort aber nur mehr zwei Saisonen möglich sein. Skiregionen rund um Wien denken aus finanziellen Gründen um, bauen Skilifte ab und positionieren sich neu.

Ein Winter (fast) wie damals könnte das dieses Mal werden: Schneemengen im Osten wie seit vielen Jahre nicht mehr. Zudem dürfen auch die Gastronomie und Hotellerie wieder aufsperren (in Niederösterreich ab 17. Dezember). Die Zeichen stehen also kurz vor den Weihnachtsferien gut für eine (fast) normale Skisaison, zumindest für Geimpfte und Genesene.

Sogar die Ötscherlifte in Lackenhof, deren „endgültiges Aus“ in der Vorwoche verkündet worden war, sind nun doch geöffnet: Das Land Niederösterreich hat wie berichtet die Ötscherlifte (und das Nachbarskigebiet Hochkar) von der Schröcksnadel Group komplett übernommen (davor hielt das Land jeweils einen 40-prozentigen Anteil).

Für die Ötscherlifte ist es allerdings nur eine Gnadenfrist: Nur in dieser und der nächsten Saison wird es hier noch einen Skiliftbetrieb geben. Danach „wird das alpine Skifahren in Lackenhof sicher nicht in der bisherigen Form wiederkommen“, sagt Markus Redl, der als Geschäftsführer von „ecoplus Alpin“ für Niederösterreich für die Neupositionierung von Skigebieten verantwortlich ist.

Denn die Ötscherlifte sind bei weitem nicht das einzige Skigebiet, das das Land aus finanziellen Turbulenzen retten und (teil-)übernehmen musste, an praktisch allen größeren Skigebieten (mit Ausnahme des Semmerings) ist das Land heute beteiligt. Ohne finanziellen Booster lassen sich die mittleren und größeren Skigebiete nämlich kaum noch führen, auch bei den Ötscherliften müsste man etwa in eine neue Beschneiungsanlage investieren, was „praktisch nicht zu finanzieren ist“.

Weshalb nun am Ötscher das passieren soll, was etwa Annaberg und St. Corona am Wechsel schon hinter sich haben: Das Skigebiet soll sich neu erfinden. Weg vom Skifahren hin zu einer anderen, ganzjährigen Nutzung. Gemeinsam mit der Gemeinde Gaming (zu der Lackenhof gehört) soll nun ein Zukunftsplan erstellt werden.

„Man muss schauen“, sagt Redl, der diese Task Force verantwortet, „was man aus den Stärken dieses Orts machen kann. Es ist ein relativ unverschandelter Berg, der etwa sehr gut als Rückzugsort geeignet wäre“. Oder sich als Hotspot für Skitouren und Schneeschuhwandern etablieren könnte, vielleicht mit geführten Touren für Anfänger. Zu viel möchte Redl der Ideenfindung nicht vorgreifen. „Wichtig ist, dass wir nach dieser Zäsur eine spitze Zielgruppe definieren und man sich zunächst in dieser Szene etabliert.“

So hat man es auch in St. Corona am Wechsel gemacht. Dort wurden nach dem Einstieg des Landes die nicht mehr rentablen Sessellifte „radikal rückgebaut“. Konzentriert hat man sich zunächst auf Familien mit kleinen Kindern, die man mit (günstigen) Förderbändern hinauf auf die Piste brachte. Gleichzeitig wurde das Ganzjahresangebot – ebenfalls für Familien – ausgebaut: Sommerrodelbahn, Motorikpark. Bike-Trails. Heute nennt sich St. Corona „Erlebnisarena“ und zieht dank der „Wexl Trails“ im Sommer auch Mountainbike-Begeisterte an.

Im Skigebiet Annaberg, das das Land 2011 nach dem Konkurs der privaten Betreiber übernommen hat, versuchte man zunächst mit verstärkter Beschneiung die gesamte Lift- und Pistenstruktur zu erhalten. Der Aufwand war aber zu groß, „wir haben damals die höchst unpopuläre Entscheidung getroffen, die beliebten Pfarrboden-Lifte abzubauen“. Dafür wurden bei den verbliebenen Liften die Pisten ausgebaut. Und Angebote für den Sommer etabliert. „Wir haben zwei Sommer hinter uns“, sagt Redl, der zur Zukunft der Skiregionen auch einen Podcast betreibt („Pistenkilometer“). „Und es läuft super.“

Klar sei, in welche Richtung es generell gehen müsse: „Raus aus der Abhängigkeit vom Schnee, volle Kanne in Richtung Ganzjährigkeit“, so Redl. Die Gründe dafür liegen einerseits auf der Hand: Durch die Erderwärmung ist man – in vielen Skiregionen schon länger, am Ötscher erst seit Kurzem – zunehmend von der kostenintensiven, künstlichen Beschneiung abhängig.

Gleichzeitig erwarten sich auch Tagesgäste von Skigebieten wie Annaberg oder Mönichkirchen „eine Qualität, wie sie sie von großen Skigebieten wie dem Kreischberg kennen.“ Also das volle Programm: Viele (moderne) Lifte, viele Pisten, Skiverleih und -schule, eine moderne Gastronomie. „Die Messlatte ist genauso hoch wie in Schladming“, sagt Redl, mit dem Unterschied, dass die nötigen Investitionen in den vergleichsweise kleinen Skigebieten „nur schwer zu verdienen“ seien. Zumal die laufenden Kosten hoch seien, sobald Seilbahnanlagen – also auch Sessellifte – im Spiel sind: Denn für diese brauche man Betriebsleiter, geschultes Personal, eine regelmäßige Wartung und hat, anders als bei Schleppliften, eine Betriebspflicht: Man muss die Anlage also praktisch ständig am Laufen halten. Hinzu kommen Kosten für Pistengeräte, deren Garagen und vieles mehr.

Kurz gesagt: Ein mittelgroßes Skigebiet, wie es sie in Niederösterreich vielfach gibt, ist praktisch nicht wirtschaftlich zu führen. Besser dran sind diesbezüglich die ganz kleinen Skigebiete mit wenigen oder gar nur einem Schlepplift. Denen man das fehlende Rundumservice verzeiht, weil sie das nostalgische Gefühl von „Skifahren wie früher“ vermitteln. Und die mit relativ geringen Kosten zu führen sind.

Auch derer hat Niederösterreich einige, wie die Skiarena Jauerling im Waldviertel, der Skilift Arabichl in den Wiener Alpen, die „Wunderwiese“ in Puchberg am Schneeberg. Oder auch den Feistritzsattel: Zwei Schlepplifte gibt es hier (nur), 1,7 Kilometer Piste. Überschaubar, klein, relativ schneesicher. Peter Dissauer führt hier das Gasthaus und die Schlepplifte in zweiter Generation: Sein Vater ließ den ersten Schlepplift in den 1970er-Jahren errichten, um den Umsatz in seinem Wirtshaus im Winter anzukurbeln. Personalkosten hat Dissauer in seinem Familienbetrieb wenige, zudem stehen die Lifte auf Eigengrund, weshalb (anders als etwa am Ötscher) keine Pachtkosten anfallen. „Das erleichtert die Sache natürlich ungemein“, sagt Dissauer. Natürlich sei er ein „Einzelkämpfer“, der nicht vom Land mitfinanziert wird, mit der Auslastung ist er (sofern die Schneelage passt) zufrieden. „Im Vorjahr konnten wir sogar ein Umsatzplus erzielen“ – weil viele Wiener nicht in den Westen auf Skiurlaub fahren konnten und auf Tagesausflüge setzten.

Auf weniger Andrang als im Vorjahr hofft man wiederum am Semmering. Im Vorjahr war der traditionsreiche Luftkurort ob der vielen Besucher, die auch „zum Spazierengehen, Bobfahren und Schneeschauen“ gekommen waren, wie es Bürgermeister Hermann Doppelreiter (ÖVP) formuliert, verkehrstechnisch komplett überlastet. Heuer rechnet der Bürgermeister mit weniger Andrang, auch weil viele Wiener doch im Westen urlauben könnten.

Der kleine Boom im Vorjahr freilich kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nächtigungszahlen am Semmering vor Corona deutlich zurückgegangen sind. Das liegt – natürlich – daran, dass die drei großen Traditionshäuser – das Panhans, das Südbahnhotel und das Kurhaus – nach wie vor geschlossen sind. Wenn sie demnächst mit neuen Konzept unter neuen Eigentümern wieder öffnen, werde, ist Doppelreiter überzeugt, der Semmering seine alte Beliebtheit als Luftkurort zurückerlangen. Um sich (wieder) mehr als Ganzjahresattraktion zu etablieren, setzt man auch am Semmering auf neue Angebote abseits der Wintersaison: So gibt es am Hirschkogel eine neue Downhill-Strecke, im Frühling öffnet ein Waldseilgarten. Wichtig sei, sagt Doppelreiter, dass der Semmering noch besser öffentlich angebunden werde: Schon jetzt kommen viele per Zug (ein Shuttle bringt sie am Wochenende auf die Pisten und wieder zurück).

Auf bessere öffentliche Anbindung für Lackenhof hofft auch Gamings Bügermeisterin Renate Rakwetz (SPÖ). Auch sie sieht die Zukunft in einer Ganzjahresnutzung, etwa als Ort der Sommerfrische. Geht es nach ihr, sollen die Ötscherlifte bei aller Neuerfindung (so entsteht in der Region auch ein Klimawandel-Forschungszentrum) weiter bestehen. Weshalb sie auf den „Schwedenbombeneffekt“ hofft: Ähnlich wie damals, als viele plötzlich wieder Schwedenbomben gekauft haben, um ebendiese vor dem Konkurs zu retten, hofft Rakwetz auf viele Skifahrer in Lackenhof, um ein Zeichen zu setzen, dass die Ötscherlifte bleiben sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2021)

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