Lebensmittelsicherheit

Der täglich eingenommene Cocktail an Giften

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Boku-Forscher in Tulln suchen mit neuen Methoden in Nahrungsmittelproben nach 1400 Substanzen, die verschiedene toxische Wirkungen haben. In Weihnachtskeksen sind besonders Weizen und Nüsse belastet.

Nach dem Gespräch mit Rudolf Krska vergeht einem der Gusto auf Weihnachtskekse. Der Experte für Lebensmittelsicherheit kommt bei den Erklärungen, welche Substanzen in den Zutaten stecken können, gar nicht zu einem Ende. Nach jedem Punkt, welche Schimmelpilze das Getreide oder die Nüsse verunreinigen, fällt ihm noch etwas ein, was wir gern essen oder trinken und in geringen Mengen belastet sein kann. „Neben getrockneten Feigen sind Haselnüsse, Mandeln und v. a. Erdnüsse häufig mit Aflatoxinen kontaminiert, einem krebserregenden Schimmelpilzgift der Gattung Aspergillus“, sagt Krska. Er zählt zu den weltweit meistzitierten Forschern der Lebensmittelsicherheit und leitet am IFA-Tulln das Boku-Institut für Bioanalytik und Agro-Metabolomics.

„Aflatoxine sind eigentlich ein reines Importproblem, denn die dazugehörigen Schimmelpilze entstehen bei Hitze und Trockenheit auf dem Feld oder bei feuchter, warmer Lagerung. In Österreich haben wir vor allem eine Feldproblematik: Hier sind Pilze der Gattung Fusarium vorherrschend, die Pflanzen bereits auf dem Feld befallen. Somit gelangen deren Mykotoxine, also Schimmelpilzgifte, schon bei der Ernte in die Produktionskette“, sagt Krska. Sein Team beliefert auch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde mit Daten über zum Teil neu entdeckte Schimmelpilzgifte in der Nahrungsmittelkette. „In der EU erfolgt der Mykotoxin-Eintrag hauptsächlich über Getreideprodukte aus Weizen, Gerste, Hafer, aber auch Mais“, sagt Krska, der den Gusto auf Kekse nicht verliert.

„Ein wichtiges Schimmelpilzgift wurde früher Vomitoxin genannt, da es in hoher Konzentration zu Erbrechen führt. Das wurde sogar als Arznei zum Gewichtsverlust erforscht“, erinnert er sich. Die gute Nachricht ist, dass die Fusarien-Gifte aus dem Weizen nicht krebserregend sind, sondern bei regelmäßiger Einnahme „nur“ das Immunsystem schwächen. „Studien zeigen, dass 60 bis 70 Prozent der Weizenprodukte und des Mehls mit Fusarium-Toxinen verunreinigt sind. Aber davon lagen nur drei Prozent über dem gesetzlichen Grenzwert.“ Krska merkt an, dass Schimmelpilzgifte in Summe zu einem größeren Schadstoffeintrag in unserem Körper führen als Pestizide, also Schädlingsbekämpfungsmittel: „Die erlaubten Konzentrationen sind 20- bis 30-fach höher als für Pestizide, obwohl diese Pilzgifte 100- bis 1000-mal stärker wirken. Nicht in ihrer Krebsgefahr, aber z. B. in ihrer Wirkung als Östrogene (in das Hormonsystem eingreifend, Anm.).“

Es kommt auf die Dosis an

Der Forscher will aber weder den Appetit verderben noch Panik auslösen. Denn es kommt wie immer auf die Dosis an. „Bei ausgeglichenem Konsum wird der tolerierbare tägliche Maximalwert nicht überschritten: Es ist daher gut, dass die Weihnachtsbäckereien nur einen Monat im Jahr in großen Mengen verzehrt werden“, so Krska. Würde sich jemand durchgehend hauptsächlich von Nüssen, Keksen, Trockenfrüchten oder Maroni ernähren, könnte der bedenkliche Wert überschritten werden. „Vor allem bei Menschen mit geringem Körpergewicht: Deshalb wurden für Kinder besonders niedrige Grenzwerte bei Lebensmitteln eingeführt.“

Krska warnt vor einseitiger Ernährung mit Lieblingsprodukten: „Wenn jemand den ganzen Tag nichts und am Abend zwei Packerln Mais-Chips isst, und das jeden Tag, übersteigt das den ,tolerable daily intake‘, TDI (tolerierbare tägliche Einnahme).“

Auch an Bier und Glühwein hat der Lebensmittelforscher etwas auszusetzen. „Im Bier sind es eher Fusarium-Toxine. Weintrauben und damit der Rotwein sind öfters mit Ochratoxin A kontaminiert, das von Penicillium-Lagerpilzen gebildet wird und nierenschädigend wirkt.“

Er betont, dass bisher viel an den Einzelsubstanzen geforscht wird, aber noch wenig bekannt ist, wie der täglich eingenommene Cocktail wirkt. Für Menschen mit schwachem Immunsystem könne die andauernde Aufnahme der Mischung bedenklich werden. Das Boku-Team sucht nun in Lebensmittelproben auch nach speziellen Alkaloiden, die in Tee und Honig vorkommen und die mit Allergenen auf Blüten zu tun haben.

Falsche Angebote im Internet

„Es gibt keine toxinfreien Lebensmittel, auch wenn Derartiges im Internet verkauft wird. Es ist immer nur eine Frage der analytischen Methode“, so Krska. Genau daran arbeiten seine Leute im Labor. Die neueste Entwicklung schafft es, 1400 Substanzen in nur 45 Minuten nachzuweisen und zu quantifizieren. Erst wenn man weiß, welche der Hunderten Mykotoxine, Pflanzentoxine und Pestizide in welchen Konzentrationen im Essen stecken, kann man ihre kombinierte und chronische Wirkung erforschen. „Abschließend ist aber wichtig, dass all die Toxine sicher nicht die größte Gesundheitsgefahr eines Europäers sind. Das ist weiterhin die Fettleibigkeit“, sagt Krska.

Lexikon

Exposom heißt die Gesamtheit aller Substanzen, denen wir in unserem Leben ausgesetzt sind und die wir einnehmen.

Mykotoxine sind Gifte, die Schimmelpilze abgeben, und Teil des Exposoms. Wir kommen über pflanzliche Lebensmittel entweder direkt in Kontakt mit Schimmelpilzgiften oder über tierische Nahrung, wenn das Futtermittel der Tiere mit Mykotoxinen belastet ist.

Aflatoxine sind eine Gruppe der Mykotoxine, die in Nüssen, Trockenfrüchten oder Mais stecken. In Getreide kommen eher Gifte der Pilzgattung Fusarium vor.

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