Jahresrückblick

Gewalt an Frauen: Wo ist der Aufschrei der Männer?

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31 Frauen wurden in diesem Jahr getötet. Warum schafft es Österreich nicht, seine Frauen zu schützen? Im kommenden Jahr gibt es etwas von der Regierung etwas Geld für Gewaltschutz. Doch es braucht noch mehr.

Jedes Jahr gibt es ihn, diesen Fall, der sich besonders ins Gedächtnis brennt - weil er so grausam ist und so viel Ohnmacht zurücklässt. Dieses Jahr war es wohl der Tod der Wiener Trafikantin Nadine W.

Die Gewalttat geschah - wie so oft - nicht überraschend. Die Frau hatte geahnt, dass sie in Gefahr war, hatte sogar mit einem Privatdetektiv noch über Schutzmaßnahmen beraten. Doch zu spät. Am 5. März kam ihr Ex-Partner zu ihr in die Trafik, schlug sie brutal zusammen, würgte sie mit einem Kabel, übergoss sie dann mit Benzin und zündete sie an. Vier Wochen lang kämpfte die 35-Jährige im Spital um ihr Leben, am Ende starb sie trotzdem. Genauso wie 30 andere Frauen in diesem Jahr (Stand 21.12.), die  durch die Hand eines Mannes getötet wurden.

Österreich hat ein Problem, seine Frauen zu schützen. Während Morde an Männern im Vergleich zur anderen EU-Ländern relativ selten vorkommen, liegt die österreichische Frauenmord-Rate im EU-Spitzenfeld. Das kommt nicht von ungefähr: Auch beim Anteil der Frauen, die körperliche Gewalt erlebt haben, verzeichnet Österreich eine der höchsten Raten in der EU. Bei Frauen unter 30 liegt Österreich sogar auf Platz eins.

Doch was läuft falsch? Einrichtungen, die auf Opfer- und Gewaltschutz spezialisiert sind, gibt es viele. Diese klagen jedoch seit Jahren, chronisch unterfinanziert zu sein. Für eine von Gewalt betroffenen Frau habe man nur fünf Beratungsstunden zur Verfügung, eine Betreuerin müsse sich um über 300 Fälle kümmern, klagt man etwa bei der Wiener Interventionsstelle für familiäre Gewalt.

Dass etwas passieren muss, hat wohl auch die Bundesregierung verstanden. Das Frauenbudget wurde von 14,65 Millionen Euro auf 18,4 Millionen Euro für 2022 angehoben. Insgesamt sollen für den Gewaltschutz knapp 24,6 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Für Opferschutzeinrichtungen ist das immer noch zu wenig, sie fordern das 15-fache, um effektive Arbeit betreiben zu können.

Viele der Programme setzen außerdem erst dann an, wenn schon etwas passiert ist. Frauen werden erst dann betreut, wenn sie Opfer von Gewalt werden. Männer werden - übrigens erst seit diesem Herbst - erst dann zur Beratung geschickt, wenn sie aus ihrer Wohnung weggewiesen wurden, oder sie bereits zugeschlagen haben.

Zu wenig wird dafür getan, das Problem an der Wurzel zu packen - nämlich im Aufbrechen der patriarchalen Strukturen, die unsere Gesellschaft nach wie vor prägen. Im schlimmsten Fall äußert sich das in einem Femizid, doch es zeigt sich auch woanders: Jede Frau, die schon einmal begrapscht oder der auf der Straße nachgerufen wurde, die im Büro oder im Internet belästigt oder mit unpassenden Kommentaren konfrontiert wurde, kann davon ein Lied singen. Also fast jede Frau in Österreich.

Ja, es braucht vermutlich mehr Geld, um den Opfern zu helfen. Es braucht mehr Präventionsarbeit, dass Frauen gar nicht erst zu Opfern werden müssen.

Was es aber auch braucht, ist ein Aufschrei und ein Aufstehen der Männer. Indem sie Verantwortung übernehmen gegenüber dem, was ihre Geschlechtsgenossen tagtäglich anrichten. Die das Wort erheben, wenn wieder ein Witz auf Kosten einer Frau gemacht wird. Die in ihrem Freundeskreis Sexismus thematisieren und sich solidarisch gegenüber Frauen zeigen, die ungleich behandelt werden. 

Wir sprechen von „Gewalt an Frauen", dabei sind es Männer, die sie verursachen. Es wird Zeit, diese auch in die Pflicht zu nehmen.

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