Vierschanzentournee

Die Sehnsucht nach dem Höhenflug

Ryoyu Kobayashi ist Favorit bei der Vierschanzentournee.
Ryoyu Kobayashi ist Favorit bei der Vierschanzentournee.APA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Die rot-weiß-roten Jahre der Dominanz liegen lang zurück, der letzte Tagessieg gelang 2016 durch Stefan Kraft, der sich diesmal als „Außenseiter-Favorit“ sieht. Der Triumph führt aber gewiss über andere.

Wien. Das Jubiläum würde sich für ein Sieg-Comeback gut anbieten. Die 70. Vierschanzentournee steht bevor, und Österreichs Skispringer warten mittlerweile schon sehr lang auf ein Erfolgserlebnis allererster Güte – also einen Gesamtsieg oder zumindest einen Erfolg in einem Einzelbewerb. Den hat zuletzt Stefan Kraft am 30. Dezember 2016 in Oberstdorf gefeiert, also vor fünf Jahren. Zwei Jahre davor hatte er sich zum bisher letzten ÖSV-Gesamtsieger gekürt. Favoriten sind auch diesmal andere.

Dabei ist Ryoyu Kobayashi noch etwas höher einzustufen als Karl Geiger. Der Japaner ist hinter dem Deutschen zwar nur Zweiter im Gesamtweltcup, hat allerdings wegen eines positiven Coronatests zwei Einzelbewerbe verpasst. Unmittelbar vor dieser Zwangspause hatte der 25-Jährige Ende November in Ruka gewonnen, an den vergangenen beiden Wochenenden legte er bei einem zweiten Platz mit Erfolgen in Klingenthal und Engelberg aber schon wieder nach.

Von Favoriten und Underdogs

Und Kobayashi hat Erfahrung darin, wie man eine Tournee gewinnt, vor drei Jahren siegte er überlegen mit 62,1 Punkten Vorsprung. Geiger hingegen fehlt eine solche Erfahrung. Der 28-Jährige stand im jeweils ersten zweier Bewerbe in Nischni Tagil und Engelberg ganz oben, punktete jedoch vor allem durch seine Konstanz. Abgesehen von Platz 22 in der zweiten Klingenthal-Konkurrenz war der Allgäuer nie schlechter als Fünfter. Der Lohn sind 98 Punkte Vorsprung im Weltcup.

Diese Stabilität könnte beim am Mittwoch in Oberstdorf beginnenden, am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen und am 4. Jänner in Innsbruck fortzusetzenden sowie am Dreikönigstag in Bischofshofen zu Ende gehenden Klassiker den Unterschied ausmachen. Dieser Faktor fehlte den Österreichern im ersten Saisondrittel ein wenig, wenn sie auch durch Premierensieger Jan Hörl in Wisla und Kraft in Klingenthal zwei der vier nicht von Kobayashi und Geiger gewonnenen Events für sich entschieden.

„Wir sind ganz gut auf dem Weg, auch wenn wir sicher nicht die Topfavoriten sind“, sagte ÖSV-Chefcoach Andreas Widhölzl nach der Tournee-Generalprobe am vergangenen Sonntag in Engelberg. Trainingstage am Dienstag und Mittwoch auf dem Bergisel sollten die Sicherheit und Gewissheit geben, mit den Top-Anwärtern auf den „Goldenen Adler“ mithalten zu können. „Als Außenseiter-Favorit zähle ich mich sicher dazu“, meinte Kraft selbstbewusst.

Für ihn und seine Kollegen geht es darum, die Serie an nicht gewonnenen Tourneen nicht so lang werden zu lassen wie die Erfolgsserie davor. Von 2008/09 bis 20014/15 hatten Wolfgang Loitzl, Andreas Kofler, Thomas Morgenstern, zweimal Gregor Schlierenzauer, Thomas Diethart und Kraft in dieser Reihenfolge sieben ÖSV-Triumphe en suite eingefahren. In den jüngsten sechs Auflagen waren aber andere obenauf, seit Michael Hayböcks drittem Rang 2016 gab es keinen ÖSV-Podestplatz.

Dabei waren in den vergangenen fünf Jahren mit Ausnahme der Kobayashi-Gala die Polen nicht zu biegen. Kamil Stoch machte 2016/17 den Anfang, legte im Jahr darauf mit dem Gewinn aller vier Tournee-Bewerbe eindrucksvoll nach und feierte heuer am 6. Jänner seinen dritten Tournee-Triumph. Damit hat der schon 34-Jährige nur noch den Finnen Janne Ahonen (5) und den Deutschen Jens Weißflog (4) vor sich. Vor zwei Jahren stand Stochs Landsmann Dawid Kubacki auf dem obersten Treppchen. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2021)

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