Psychogramm des American Dream

Grete Hartwig-Manschingers starkes Frauenporträt aus einer präfeministischen Welt.

Rendezvous in Manhattan“ von Grete Hartig-Manschinger erschien ursprünglich 1948 im Verlag Rudolf Cerny, ehe ihn nun der Wiener DVB-Verlag neu aufgelegt hat. Die flott erzählte Aufsteigergeschichte aus dem Arbeitermilieu der Fabriken Manhattans porträtiert mit Edna Scarlatti eine Generation von Amerikanern, deren Eltern eingewandert sind, und die weder in Europa noch in den USA verwurzelt ist. Erschöpft von der Großen Depression und beängstigt vom drohenden Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, entfaltet das Buch ein Psychogramm des American Dream. In all seinen Milieus besteht das hämmernde New York aus durchökonomisierten Beziehungen.

Während sich „Manhattan Transfer“ von John dos Passos auf das Panorama der Migration einlässt, fokussiert Hartwig-Manschinger auf das schlichte Mädchen, das sich gegen die trostlose Herkunftsfamilie, die chronische Demütigung durch die Vorarbeiterin in der Fabrik und die Zudringlichkeiten zur Wehr setzt. Meist auf passive, nicht abgrenzende, sondern sich entziehende Weise. Wie solide die Bewertung des anderen auf dem Fundament der Vermögensverhältnisse ruht, zeigen die Dialoge der Frauen: Männerbeziehungen dienen der Absicherung und zum Erlangen von Status. Es ist ein langer Weg, den Edna wird zurücklegen müssen, bis sie mit Ray eine Beziehung zu gestalten beginnt, der man heute gern salopp Augenhöhe attestiert. Als frühe Feldstudie des Kapitalismus kann man diesen Exilroman bezeichnen.

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