Alois Stöger: Der Dauerpatient

(c) Michaela Bruckberger
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Politisch Totgesagte leben länger: Alois Stöger ist immer noch Gesundheitsminister - zu Recht? Am Dienstagabend legte er seine Reformpläne für das Spitalswesen vor. Minister Stöger will die Länder entmachten.

Um den medialen Status „Problembär der Regierung“ zu erlangen, brauchte er nicht einmal sechs Monate. Parteifreunde nannten ihn zunächst „spröde“ und dann eine „glatte Fehlbesetzung“. Die ersten Ablösegerüchte machten im Frühjahr 2009 die Runde. Ein Jahr später war sich die veröffentlichte Meinung sicher: Nach der Wien-Wahl wird dieser Minister Geschichte sein. Die Liste seiner potenziellen Nachfolger nahm da schon rekordverdächtige Ausmaße an: Sie reichte von SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas bis zur Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely.

Eigentlich ist es ein Wunder, dass Alois Stöger noch immer im Amt ist. Doch für einen politisch toten Mann präsentierte sich der Gesundheitsminister (SPÖ) diese Woche ziemlich lebendig: Einer kleinen Journalistenrunde legte er am Dienstagabend seine Reformpläne für das Spitalswesen vor, das weit davon entfernt ist, als Musterbeispiel in die Betriebswirtschaftslehre einzugehen. Die Länder haben als Spitalserhalter einen milliardenschweren Schuldenberg angehäuft.

Dass Stöger jetzt die Erwin Prölls dieser Republik entmachten will, ist an sich nicht neu. Das haben vor ihm auch schon andere probiert – und sind kolossal gescheitert. Doch ausgerechnet diesem Gesundheitsminister hätte kaum jemand zugetraut, dass er es auch nur wagt. Denn bis dato ist der 50-Jährige kaum aufgefallen, weder politisch noch privat. Das mag auch damit zu tun haben, dass er so ziemlich das Gegenteil eines Showmans ist. Die Schweinsbraten- und Csárdás-PR seiner Vorgängerin Andrea Kdolsky (ÖVP) ist seine Sache nicht: „Es ist ihm sehr recht, wenn eine Veranstaltung wieder vorbei ist“, sagt ein Parteifreund über ihn.

Unscheinbar. Alois Stöger ist ein netter Mensch, bescheiden, unaufdringlich, ja unscheinbar. Man kennt ihn als „fleißigen, peniblen Arbeiter“, von dem nicht überliefert ist, dass er jemals laut wurde. Im Mittelpunkt sollen lieber andere stehen. Von seiner (zweiten) Hochzeit im Mai 2009 erfuhren die meisten Regierungskollegen erst im Nachhinein.

Die Rampenscheu ist ein Produkt seiner Biografie. Stöger wurde 1960 im oberösterreichischen Allerheiligen geboren, als Sohn eines Totengräbers. Er lernte Werkzeugmacher bei der Voest, stieg bald zum Bezirkssekretär der Metallergewerkschaft auf und engagierte sich in Sozialverbänden. Nebenbei bildete er sich laufend weiter: An der Marc-Bloch-Universität in Straßburg schloss er etwa das Fernstudium der „sozialen Praxis“ ab. Seither führt er den exotisch anmutenden Titel Diplômé.

In der Politik tauchte Stöger erstmals 1997 auf, als Gemeinderat in Gallneukirchen. 2003 wurde er Kulturstadtrat und blieb es bis zum Wechsel nach Wien. Seinen Ministerjob verdankt er jedoch einer anderen Funktion: Ab 2005 war er Obmann der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, die vom Rechnungshof als Vorzeigeschüler in den Reihen der sonst maroden Kassen geadelt wurde. Nur seine Kritiker behaupten, die Sanierung sei nicht Stögers, sondern das Verdienst seines Vorgängers.

Ein beträchtliches Detailwissen in seinem Metier spricht dem Minister seither jedenfalls niemand ab. Das Problem ist, dass er damit nicht immer umzugehen weiß. „Ich frage mich manchmal, ob Stöger in der Politik überhaupt schon angekommen ist“, meint ein Kollege aus der ÖVP. Denn eine Strategie lasse sein Ressort nicht erkennen. Und rhetorisch sei er eben kein Obama, nicht einmal ein kleiner. Oft wirke er unbeholfen, wenn klare Worte gefragt wären. Das Krisenmanagement im Listerien-Skandal Anfang des Jahres falle, jedenfalls nach außen hin, in die Kategorie „mehr als unglücklich“.

Und wenn es einmal Erfreuliches zu vermelden gibt, scheint Stöger oft nicht zu wissen, wie. Das Reformkonzept für die Krankenanstalten ist angeblich schon seit drei Monaten fertig. Nach der Budgetklausur in Loipersdorf soll Kanzler Werner Faymann grünes Licht gegeben haben. Trotzdem wartete der Minister noch eine Woche zu. Einen Genossen veranlasste diese Zaghaftigkeit einmal zu der Feststellung, dass es Stöger sogar schaffe, aus einem Elfmeter ein Eigentor zu schießen.

Einer der Fleißigsten. Dabei war der Gesundheitsminister bisher nicht untätig. Gemessen an der Zahl der Regierungsvorlagen gehört er sogar zu den Fleißigsten im Kabinett Faymann. Dank Stöger dürfen sich Ärzte seit September in Gruppenpraxen organisieren; für die „Pille danach“ braucht es seit einem Jahr kein Rezept mehr. Doch die großen Reformen, die das System so bitter nötig hätte, sind bislang ausgeblieben. Das Sanierungskonzept für die Krankenkassen ist allenfalls ein Ansatz – das Grundproblem löst es nämlich nicht.

Die Zweifel an Stögers Talent zum Gesundheitsminister sind vorerst aber verstummt. Die Pläne für den Spitalsbereich haben ihm gewissermaßen eine kleine Verschnaufpause beschert; sie sind, wenn man so will, seine letzte Chance. Denn nicht nur Zyniker im politischen Betrieb behaupten, dass Stögers bisher größte Leistung als Minister die ist, dass er noch immer amtiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2010)

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