Aktiengewinnsteuer: Verfassungsrechtlich heikles Terrain

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Gesetzesentwurf: Vorgaben des VfGH wurden berücksichtigt, aber möglicherweise nicht alle.

Wien. Mit den Spekulationsgewinnen auf Aktien ist es in Österreich so eine Sache. Grundsätzlich sollte jeder Anleger wissen, dass diese Gewinne – wenn sie innerhalb eines Jahres realisiert wurden – zu versteuern sind. Nur: So recht wahrgenommen haben diese Verpflichtung nur wenige. Was läge daher näher, als die Verpflichtung zur Versteuerung einem Dritten anzulasten? Wohl deshalb versucht der Gesetzgeber im Entwurf zum Budgetbegleitgesetz 2011–2014 zum zweiten Mal, die Banken in die Pflicht zu nehmen und ihnen eine Abzugsverpflichtung für Spekulationsgewinne aufzuerlegen. Besteuert werden sollen Veräußerungsgewinne aus allen Kapitalanlagen unabhängig von einer Behaltedauer. Steuerlich relevant sind jedoch auch – und hier entstehen die verfassungsrechtlichen Probleme – die Übertragungen von Wertpapieren auf Depots bei anderen Banken.

Genau daran scheiterte der erste Versuch, eine „Spekulationsertragsteuer“ einzuführen: Das Gesetz wurde als verfassungswidrig aufgehoben (VfGH 15. 3. 2000, G 141/99). Hat der neue Gesetzesvorschlag größere Chancen, vor dem VfGH zu bestehen?

Bei der alten SpESt hat der VfGH vor allem geprüft, ob es zulässig ist, einem anderen als dem Abgabepflichtigen die Entrichtung abzuverlangen, und, falls ja, ob dieser über ausreichende Informationen und Mittel dazu verfügt.

Einhebung durch Dritte

Schon jetzt gibt es Steuern, deren Entrichtung Dritten übertragen ist: die Lohnsteuer etwa, die vom Arbeitgeber einbehalten wird, oder die Kapitalertragsteuer, die von den Banken abzuführen ist. Der VfGH führte damals aus, dass grundsätzlich auch Dritte, am Steuerschuldverhältnis formal Unbeteiligte zur Mitwirkung bei der Steuererhebung verpflichtet werden können. Aber: Dem Dritten einen erheblichen Aufwand für die Beschaffung der für eine ordnungsgemäße Steuerabfuhr erforderlichen Daten und/oder aufwendige Vorkehrungen zur Erlangung der für die Abfuhr benötigten Mittel abzuverlangen kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein.

Der VfGH sah grundsätzlich kein Problem, die SpESt im Zuge von An- und Verkäufen von Wertpapieren zu erheben: Dabei verfügen die Banken in der Regel über die nötigen Informationen (Preis, Zeitpunkt der Anschaffung/Veräußerung). Problematisch wird es jedoch, wenn die Daten nicht im Bereich der Bank vorhanden sind, sondern mithilfe qualifizierter Beweisanforderungen erbracht werden müssen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Anleger Wertpapiere von einer Bank auf eine andere überträgt. Mangels Anschaffung hätte die Bank (aufwendige) Ermittlungen über Anschaffungspreis und -zeitpunkt anstellen müssen. Darüber hinaus sei es der Bank nicht zuzumuten, auch dann die Steuer abzuführen, wenn sie nicht über die Mittel aus dem Verkauf verfügt, nämlich dann, wenn das Wertpapier nicht verkauft, sondern nur zu einer anderen Bank übertragen wurde.

Der Gesetzgeber scheint sich die verfassungsrechtlichen Vorgaben genau angesehen zu haben. So führt eine Übertragung auf ein anderes Depot dann nicht zu einer Veräußerung, wenn der Anleger die übertragende Bank ermächtigt, der übernehmenden Bank den Kaufpreis der Wertpapiere mitzuteilen (und diese somit nicht weiter ermitteln muss). Bei Einlieferungen aus dem Ausland ist als Anschaffungspreis der gemeine Wert anzusetzen. Da dieser zumeist dem Markt- oder Börsenwert entsprechen wird, dürften die Banken auch in diesem Fall über die nötigen Informationen verfügen. Und kommt es schließlich doch zu einer Steuerpflicht ohne tatsächliche Veräußerung (weil der Anleger auf das Bankgeheimnis besteht und einer Datenweitergabe nicht zustimmt), darf die Bank die Wertpapiere zurückbehalten, bis sie vom Anleger den voraussichtlich abzuführenden Steuerbetrag erhält.

Trotz dieser Bemühungen haben die Banken angekündigt, den VfGH anzurufen. Allerdings könnte eine weitere Aussage des Gerichtshofs diese Überlegungen hinfällig machen. Nach der Finanzverfassung ist es Sache des Bundes, die mit der Erhebung einer Steuer verbundenen Kosten zu tragen. Eine Überwälzung auf die Banken bedürfte einer besonderen Rechtfertigung. Im Zusammenhang mit der damaligen SpESt wurde diese Rechtfertigung nicht gefunden. Der Bund muss den Banken daher wohl den Aufwand ersetzen. Wenn jedoch, wie sich abzeichnet, die Kosten eine ähnliche Größenordnung erreichen wie der Ertrag, stellt sich die Frage, ob diese Abgabe nicht schon vom Grundsatz her verfassungsrechtlich bedenklich ist.

Dr. Helmut Moritz ist Steuerberater in Wien und Lektor am Institut für Finanzrecht der Universität Graz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2010)

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