Film

"Beanpole": Mit Zärtlichkeit durch eine bleierne Zeit

Mascha (Wassilissa Perelygina, li.) und "Bohnenstange" Ija (Wiktoria Miroschnitschenko) im Kriegsdrama "Beanpole".
Mascha (Wassilissa Perelygina, li.) und "Bohnenstange" Ija (Wiktoria Miroschnitschenko) im Kriegsdrama "Beanpole".(c) Liana Mukhamedzyanova
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Im (Nach-)Kriegsdrama „Beanpole“ lastet ein bildschöner Mantel der Erschöpfung auf Leningrad. Im Kino.

Müde, müde, müde wirkt der Chefarzt, der in einem Leningrader Spital gegen Ende des „Großen Vaterländischen Krieges“ seine an Körper und Seele versehrten Patienten verarzten muss. Müde nicht nur von zehrender Knochenarbeit, müde auch von der moralischen Bürde, die auf die Schultern der Belegschaft drückt. Täglich muss sie schwere Entscheidungen treffen, bei denen es um Leben und Tod geht. Meistens um Tod. Doch was hilft's? Wer noch an eine Zukunft glaubt, kann nicht anders als Weitermachen.

Hier, in diesem seltsam stillen und sterilen Purgatorium, mühen sich auch zwei junge Frauen um eine menschenwürdige Existenz. Die sanfte, hochgewachsene Ija (Wiktoria Miroschnitschenko), von allen nur „Bohnenstange“ genannt, mit endlos duldsamer Weltoffenheit, die nur von abrupten Schockstarren durchkreuzt wird. Ihre Freundin Mascha (Wassilissa Perelygina) hingegen mit rebellischer Trotzhaltung und riskantem Wagemut, der ihre traumatischen Fronterfahrungen notdürftig kaschiert.

Im ersten Teil von Kantemir Balagows Film, der wie seine Hauptfigur „Beanpole“ heißt, schiebt sich eine Tragödie zwischen die beiden grundverschiedenen Leiderprobten – und stellt ihre Beziehung auf eine harte Probe. Was ist stärker: Freundschaft oder Schmerz? Ruhig, zärtlich, einfühlsam (erstaunlich für einen De-Facto-Kriegsfilm) erzählt Balagow von ihrem emotionalen Überlebenskampf in zermürbenden Zeiten.

Ankämpfen gegen die Erschöpfung

Der 1991 im Nordkaukasus geborene Regisseur ist ein talentierter Zögling des russischen Kunstfilm-Altmeisters Alexander Sokurow. Bereits sein Langfilmdebüt „Tesnota“ reüssierte 2017 in Cannes: Eine kaukasische Familiengeschichte voller jugendlichen Ungestüms, intensiver Gefühle und extremer Gewalt. Diese bleibt in Balagows zweitem, reiferem, etwas gediegenem Drama großteils gedämpft oder im Off. Dafür liegt über allem ein bleischwerer Mantel der Trostlosigkeit und Erschöpfung, selbst in heiteren Momenten. Als Kranke einen kleinen Buben bitten, zu ihrem Vergnügen einen Hund nachzuahmen, weiß er nicht, was sie damit meinen. Wie soll er auch, heißt es – alle Hunde Leningrads wurden im Zuge der Belagerung gefressen! Dennoch ringt Balagow der Tristesse (die man auch als Allegorie auf die politische Gegenwart Russlands lesen kann) Schönheit ab, mit sensiblem Schauspiel, einem prägnanten grün-beigen Szenenbild und starker, haptischer Bildsprache.

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