Wort der Woche

Handelsverbote haben Nebenwirkungen

Ökonomen konnten nun zeigen, dass Handelsverbote im Dienste des Artenschutzes zwar wirken, aber auch problematische Nebenwirkungen haben können.

Die EU hat kürzlich die letzten Schlupflöcher beim Elfenbein-Handel geschlossen und damit das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES um einen wichtigen Schritt ergänzt. Denn trotz der seit 1990 bestehenden Handelsbeschränkungen werden immer noch jährlich 20.000 bis 30.000 Afrikanische Elefanten illegal für ihr Elfenbein getötet.

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Internationale Handelsverbote im Dienste des Artenschutzes gelten als eines der wichtigsten Instrumente, um vom Aussterben bedrohte Tierarten zu bewahren. Doch sie haben auch Nebenwirkungen, die ihren Nutzen verringern können. So ist z. B. Handel auf Inlandsmärkten davon unberührt; dort sinken aber die Preise, sodass Wilderer entweder mehr Tiere töten, um den Gewinnausfall zu kompensieren, oder sie verlegen sich auf andere Tierarten, die dann ihrerseits gefährdet werden. Ein weiterer Effekt ist, dass bestimmte Wirtschaftszweige in die Illegalität gedrängt werden – mit all ihren negativen Folgen. Überdies besteht der Verdacht, dass die Zahl der Abschüsse kurz vor Inkrafttreten von Handelsverboten noch einmal kräftig ansteigt, und dies könnte Tierarten, die bereits stark gefährdet sind, gänzlich an den Abgrund bringen.

Dieser Befürchtung sind Ökonomen um Hugo M. Mialon (Emory University, Atlanta) nachgegangen: Sie haben alle verfügbaren Daten für 41 Säugetier- und 20 Reptilienarten zusammengetragen, die zwischen 1979 und 2017 neu auf die durch CITES geschützte Artenliste kamen – vom Ozelot und Roten Panda bis hin zur Birma-Sternschildkröte und Krokodilschwanzechse. Die Studie zeigt zum einen, dass die Verbote wirken: Nach Inkrafttreten eines Handelsbanns sank die Zahl der Abschüsse deutlich (wenn auch nicht auf null). Zum anderen macht sie aber auch nachdenklich: Zwar war bei Säugetieren vor dem Verbot keine erhöhte Zahl von „fünf-vor-zwölf“-Abschüssen nachweisbar. Bei Reptilien aber verfünffachte sich die Zahl der gefangenen bzw. getöteten Tiere in den beiden Jahren vor dem Inkrafttreten (Science Advances, 7. 1.).Mögliche Erklärungen für diesen Unterschied sind, dass Säugetiere größer und schwerer sind und daher der logistische Aufwand beim Schmuggeln höher ist – und dass Reptilien leichter zu fangen sind.

Ein wichtiger Schluss daraus: Um zu verhindern, dass die Populationen gefährdeter Arten durch „fünf-vor-zwölf“-Abschüsse irreparabel geschädigt werden, sollten Handelsverbote nicht erst am letzten Drücker beschlossen werden – also nicht erst, wenn es schon fünf vor zwölf ist.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2022)

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