Serie

Teenies, die sich selbst verschwenden

Jules (Hunter Schafer) steht im Zentrum eines Plots aus Erpressung und Bedrohung.
Jules (Hunter Schafer) steht im Zentrum eines Plots aus Erpressung und Bedrohung.(c) HBO
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„Euphoria“ erzählt in expressiven Bildern von jugendlichen Abhängigkeitsverhältnissen und Teenagern zwischen Selbstschutz und Selbstzerstörung – auch in Staffel zwei, die kürzlich auf Sky angelaufen ist.

Ein Schüler liegt auf einem Krankenbett, die Augen zugeschwollen, einen Verband um die Stirn. Im Halogenlicht sieht er übel aus, doch in seinem Kopfkino läuft ein ekstatisches Feuerwerk: Da liegt eine nackte Frau auf einem Bärenteppich, da mischen sich laszive und drohende Blicke in buntem Stroboskoplicht, dazu Schreie und Stöhnen, gebogene Frauenrücken, das Auge eines verstörten Buben, offene Münder, nackte Körper, die rhythmisch aufeinander knallen, eine Faust schlägt zu und irgendwo wird ein Baby geboren: Was für ein irres Gewitter!

Die Szene, die in der jüngst erschienenen zweiten Staffel von „Euphoria“ zu sehen ist, enthält vieles, was die HBO-Serie ausmacht: Den Furor, mit dem hier auf das US-Vorstadtleben der Generation Z geblickt wird, die Lust an der Grenzüberschreitung, die markante Ästhetik: Jede Einstellung ist ein Bildgedicht aus dramatischen Farbkontrasten, expressiven Lichtern, Düsternis und Glitzer, was dem Macher Sam Levinson manchmal den Vorwurf einbringt, Style über Inhalt zu stellen. Dabei steht das Visuelle nie für sich allein. Selbst das Make-up, das auf TikTok munter kopiert wird, spiegelt stets den emotionalen Zustand der Figuren wider.

Reichhaltig ist die Serie auch erzählerisch. Kurz gesagt: Sie verhandelt jugendliche Abhängigkeitsverhältnisse – nicht nur von Drogen wie im Fall der (von Zendaya bravourös gespielten) Protagonistin Rue. Alle Figuren haben zu kämpfen, mit Verlust und psychischen Krisen, mit geleakten Sexvideos, Erpressung oder toxischen Beziehungen. Oder auch „nur“ mit klassischen Teenagerproblemen wie Zukunftsangst und Identitätsfragen. Dabei nimmt „Euphoria“ die Perspektive der vergleichsweise unauffälligen Lexi (Maude Apatow), die die Entfremdung von ihren Freundinnen fürchtet, genauso ernst wie die von Kat (Barbie Ferreira), die sich als Online-Dominatrix versucht – oder eben die von Rue, die sich in ihrem Rauscheifer gefährlichen Menschen ausliefert.

Keine sexy Pose auslassen

Staffel zwei widmet sich weiter der jugendlichen Unvernunft: Die erste Folge spielt auf einer Silvesterparty, auf der die Wege aller Figuren zusammenlaufen. Was sie eint, ist, wie verschwenderisch sie mit sich selbst umgehen. Wenn sie betrunken bei Höchstgeschwindigkeiten im Auto den Gurt lösen, um keine sexy Pose auszulassen. Oder in der Waschküche mit dem richtigen Drogencocktail unbekümmert dem drohenden Kreislaufstillstand ein Schnippchen schlagen. Diese Teenies wissen, was sie tun – und stürzen sich Hals über Kopf in die Selbstzerstörung. Die Adoleszenz als widersprüchliches, rauschhaftes, intensives Abenteuer: In der Darstellung davon reicht derzeit keine Serie an „Euphoria“ heran.

„Euphoria“. Neue Folgen immer montags auf Sky.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2022)

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