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Mitreden: Was muss sich in der katholischen Kirche ändern?

Der Missbrauchsskandal rund um den emeritierten Papst Benedikt XVI. sorgt einmal mehr für große Empörung und Kirchenaustritte. Wie soll es weitergehen? Diskutieren Sie mit!

Wir wissen es nicht erst seit heute: Geistliche haben ihre Position ausgenutzt, um Schutzbefohlene zu missbrauchen. Bischöfe, Generalvikare und Personalverantwortliche haben die Delikte jahrzehntelang vertuscht. „Täterschutz war ihnen wichtiger als Opferschutz“, wie es Jan-Heiner Tück, Theologie-Professor an der Uni Wien, in einem Gastkommentar formuliert.  Der emeritierte Papst Benedikt XVI. sei mit dem jüngsten Skandal zur „Symbolfigur der Vertuschungskirche“ geworden.

Die Vorwürfe, zu denen heuer ein Bericht veröffentlicht wurde, reichen zurück in die 1980er Jahre, während Joseph Ratzingers nicht ganz fünfjährigen Bischofszeit in München.

Jan-Heiner Tück schreibt dazu in seinem Beitrag weiter: Die kollektive Welle der Empörung sei so groß, dass „ein Akt der öffentlichen Buße und Trauer für die ganze Kirche" angebracht wäre. Er schreibt aber auch: „Bei aller berechtigten Empörung über die Vertuschung der Taten besteht die Gefahr, das damalige Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger an den heutigen Standards zu messen.“

Und dass es die heutigen Standards überhaupt gibt, dazu hat Papst Benedikt wesentlich selbst beigetragen, indem er das Reglement gegen Missbrauchstäter verschärft hat.

Darauf weist auch Dietmar Neuwirth in einem Leitartikel hin. „Joseph Ratzinger ist weder Verbrecher noch Heiliger“, schreibt er. Und über die Vorkommnisse der 1980er Jahre in der katholischen Kirche: „Das hat mit Nicht-sehen-Wollen, Scham, Überhöhung der Institution Kirche und ihrer geweihten Amtsträger sowie völlig falsch verstandener, für die Opfer verhängnisvoller 'Barmherzigkeit' gegenüber vermeintlich reumütigen Sündern zu tun.“ Heute bleibe das Gebot „Aufarbeiten, Aufdecken und Aufklären, rücksichtslos. Erst dann dürfen katholische Amtsträger vielleicht wieder rückhaltloses Vertrauen erhoffen."

Ob es dafür nicht schon zu spät ist? In Bayern gab es nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine regelrechte Flut an Kirchenaustritten. In Österreich ist bereits vor Bekanntwerden des Missbrauchs-Berichts die Zahl der Kirchenaustritte weiter gestiegen - im Jahr 2021 waren es im Vergleich zum Jahr davor 22,7 Prozent mehr. „Wir leben in einer Zeit des dramatischen Übergangs der Kirche von einer konstantinischen Gestalt in eine nachreformatorische moderne Gestalt, wo sie nicht mehr von Staat und Gesellschaft gedeckt wird“, begründet Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner im Gespräch mit der „Presse".

Aus der (katholischen) Gesellschaft kommen indes immer lautere Rufe nach Reformen, etwa von der Reformbewegung „Maria 2.0“ oder jüngst auch von 125 Kirchen-Mitarbeitern in Deutschland, die sich als homosexuell outeten.

Noch einmal zurück zum Missbrauchsskandal: Michael Prüller, Kommunikationschef der Erzdiözese Wien, schreibt in seiner „Presse"-Kolumne „Culture Clash“, dass man noch immer nicht wissen, wie man mit Tätern nach verbüßter Strafe umgehen soll. „Der Kirche könnte dabei ein Disziplinarrecht helfen, wie es Ärzte oder Anwälte haben, das den weiteren Einsatz (oder Nichteinsatz) regelt“, schreibt er weiter. Er meint aber auch: „Letztlich hat die ganze Gesellschaft das Problem, dass das Recht auf einen Neuanfang im Konflikt mit der Rückfallsgefährlichkeit von Sexualstraftätern steht."

(sk)

Diskutieren Sie mit: Was halten Sie vom aktuellen Zustand der katholischen Kirche? Wurde beim Thema Missbrauch genug getan? Was muss sich ändern, damit es zu weniger Austritten kommt? Und: Wie ist Ihre persönliche Beziehung zur katholischen Kirche?

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