Hirnsignale

Tinnitus lässt sich objektiv messen

Anhand veränderter Hirnströme kann Tinnitus festgestellt werden.
Anhand veränderter Hirnströme kann Tinnitus festgestellt werden.(c) Getty Images (Christopher Furlong)
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Für Betroffene ist Tinnitus eine deutlich wahrnehmbare Störung. Objektiv messbar, war diese bislang nicht. Das hat sich nun geändert. Warum das Stellen einer Diagnose einfacher wird.

Piepsen, Rauschen, Pfeifen - Geräusche können einem ganz schön zusetzen, besonders, wenn sie permanent gegeben sind. Bei andauernden Geräuschen im Ohr, die unabhängig von äußeren Schallwellen im Gehirn entstehen, spricht man von Tinnitus. Für Betroffene ein deutliches Leiden, für Außenstehende kaum vorzustellen. Auch Mediziner und Ärztinnen taten sich bislang in ihrer Diagnose schwer, kann man doch nur im Ohr existierende Geräusche nicht messen. Tinnitus-Diagnose basierten deshalb vor allem auf den subjektiven Schilderungen der Betroffenen.

Ein Team aus Forschenden, um Niklas Edvall vom Karolinksa Institut in Stockholm, hat dazu gerade einen Durchbruch vollbracht. Tinnitus ist nämlich sehr wohl messbar, wie diese jetzt herausfanden. Zwar nicht direkt der Ton im Ohr, doch die Auswirkungen dessen. Den Erkenntnissen der Studie zufolge hat Tinnitus charakteristische Signalveränderungen im Gehirn zur Folge. Diese konnten erstmals nachgewiesen werden, das Team tat das bei über 400 Probandinnen und Probanden. 

Veränderte Hirnströme

Nachweisbar sind die Signalveränderungen bei Betroffenen vor allem im Hirnstamm, also im untersten Bereich des Gehirns. Beim Hören von Tönen entstehen hier fünf Hirnstrom-Wellen, die alle voneinander getrennt messbar sind. Das Forschungsteam hat jene Wellen von Tinnitus-Betroffenen und gesunden Kontrollpersonen verglichen. Zwei davon haben sich bei jenen mit Tinnitus charakteristisch verändert - während eine Welle verzögert entsteht, weist die andere nur geringer Ausschläge auf.

„Diese Ergebnisse bestätigen, dass ein anhaltender Tinnitus mit Veränderungen der Hirnstamm-Antwort verknüpft ist“, schreiben die Forschenden. Ihrer Ansicht nach liefert dieses objektiv messbare Merkmal die Grundlage für eine einfache und objektive Diagnose von Betroffenen. Für den Nachweis der veränderten Hirnsignale werden nur wenige Elektroden benötigt, dabei handelt es sich außerdem um eine gängige Methode, um etwa Hörnervenstörungen oder Schwerhörigkeit bei Neugeborenen nachzuweisen. 

Das Vorgehen

In einem weiteren Teil der Studie fand man zudem heraus, dass ein häufig auftretendes, aber noch nicht dauerhaftes Geräusch - also eben noch kein Tinnitus - ein Vorbote dessen sein kann. Meist passiert der Wandel vom häufigem zum dauernden Ton innerhalb von zwei Jahren. Einmal da, bleibt ein Tinnitus in der Regel über Jahre präsent. „Es ist wichtig, dies zu wissen, damit Menschen mit einem nur gelegentlichen Tinnitus das Risiko erkennen und sich rechtzeitig Rat holen können“, sagt Edvalls Kollege Christopher Cederroth.

Wichtig sei es zunächst einmal andere Ohrerkrankungen auszuschließen, von welchen Tinnitus ein Begleitsymptom sein kann, erklärt Peter Franz, Generalsekretär der Österreichischen HNO Gesellschaft und Leiter zweier Wiener HNO Abteilungen gegenüber der „Presse“. Die Ursache eines Tinnitus, der ohne solch eine Erkrankung auftritt, sei in den meisten Fällen nicht feststellbar. Helfen könne etwa eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und akustischer Stimulation. Ersteres ist die Aufgabe von Psychologinnen und Psychologen, der Stimulator kann mittels medizinischen Kopfhörern von Betroffene je nach Bedarf mehrere Stunden am Tag getragen werden – also auch von zu Hause aus. „Auch sogenannte Tinnitusmasker können helfen,“ sagt Franz. Dabei handle es sich um Hörgeräte, die ein bestimmtes, für viele angenehmeres Geräusch erzeugen, das den Ton des Tinnitus überdeckt.

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(evdin)

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