Quergeschrieben

Stephan Tauschitz und der Nazi-Aufmarsch auf dem Ulrichsberg

Statt Rechtsextreme und Neonazis von den Kärntner Gedenkfeiern fernzuhalten, hat ihnen die Republik das Feld überlassen.

Wenn ich an das Österreich meiner Jugend in den 1960er-Jahren denke, fällt mir Tony Judts Essay „Die Vergangenheit ist ein anderes Land“ ein (Transit, 6, 1993). Die Identifizierung und Bestrafung aktiver Nazis war 1948 praktisch beendet und gleich wieder vergessen worden. Die Amnestie für eine halbe Million ehemaliger österreichischer Parteimitglieder hatte sich in eine fast totale Amnesie verwandelt, „die es allen Seiten erlaubte, sich darauf zu einigen, dass diese Männer und Frauen sich künftig in nichts von den anderen unterschieden“.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Quergeschrieben“

Die Treffen auf dem Kärntner Ulrichsberg, zu denen an jedem 10. Oktober Politiker aller Parteien erschienen, Vertreter der Kirchen, des Bundesheeres und der Traditionsverbände (kurz: das offizielle Kärnten), perfektionierten diese Verdrängungsleistung. In einem Bundesland, das 1945 scham- und bedenkenlos von Braun auf Rot umgeschaltet hatte, verstieß es noch in den 1960er-Jahren gegen den guten Ton, über die NS-Vergangenheit zu sprechen. Das legitime Gedenken an den Kärntner Abwehrkampf von 1920, an die Opfer der beiden Weltkriege und der Nachkriegsvertreibungen vermischte sich mit nationalistischen, militaristischen und insbesondere antislowenischen Elementen. Ich habe 1967 einmal im Kreis katholischer Mittelschüler an einer Ulrichsberg-Gedenkfeier teilgenommen – also mehr als 50 Jahre vor Stephan Tauschitz, der damals noch gar nicht auf der Welt war. Ein besonders heftig beklatschter Redner unterschied dort zwischen einem deutschen und einem slowenischen Herrgott. Mit dieser Art von Heimatliebe wollte ich nichts zu tun haben, und schon gar nichts mit alten Nazis. Wie die meisten meiner Schulkameraden sympathisierte ich mit den Kärntner Slowenen, und daran hat sich nichts geändert.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.