Morgenglosse

Die Kriegsgefahr ist längst nicht gebannt

APA/AFP
  • Drucken

In der Ukraine-Krise gibt es einerseits Entspannungssignale. Aber zugleich könnte sich mit der Anerkennung der Volksrepubliken in der Ostukraine durch Moskau eine neue Front auftun.

Olaf Scholz hat die Feuertaufe im Kreml bestanden. Nach einem vierstündigen Gespräch mit dem Hausherrn sprach der deutsche Kanzler  das Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial und der Deutschen Welle, die Internierung Alexej Nawalnys und insbesondere den Ukraine-Konflikt offen an, was Wladimir Putin allerdings nur ein Achselzucken entlockte.

Der russische Präsident gab indessen Einblick in seine Welt, als er an das Nato-Bombardement Belgrads im Zuge des Kosovo-Kriegs 1999 erinnerte und nach einem Konter von Scholz auf den vermeintlichen „Völkermord“ im ostukrainischen Donbass zu sprechen kam. Das war sehr schräg - um nicht zu sagen: zynisch. Was freilich eine Spezialität der Führung in Moskau ist.

Angela Merkel als Sonderbotschafterin?

Scholz brachte schließlich sogar noch einen subtilen Witz über Putins schier ewige Amtszeit an. Das war durchaus Marke Merkel. Just die Linke in Berlin hat die Ex-Kanzlerin als Vermittlerin in der Ukraine-Krise ins Spiel gebracht – was im Übrigen keine so schlechte Idee ist.

Denn eines hat sich an einem Tag gemischter Signale deutlich gezeigt: Man sollte sich nicht zu früh über eine gewisse Deeskalation freuen. Einerseits meldete Moskau einen Teilabzug seiner Truppen von der ukrainischen Grenze, was die Nachbarn und die Nato jedoch erst glauben, wenn die Soldaten sich auch tatsächlich samt Ausrüstung in Bewegung setzen. Ein Cyberangriff auf das Verteidigungsministerium in Kiew bestätigt eines der Szenarien der westlichen Geheimdienste, die einen Krieg auslösen könnten.

Ein blau-gelber Feiertag

Wolodymyr Selenskij, der ukrainische Präsident, der am Mittwoch in einer Mischung aus Trotz und Nationalstolz einen Feiertag in blau-gelbem Patriotismus zelebriert, versprach Scholz Verhandlungen über den Autonomiestatus der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Doch ebenda öffnet sich eine neue Front: Denn die Duma, das Parlament in Moskau, leitete an Putin die Resolution für eine Anerkennung der beiden pro-russischen Volksrepubliken in der Ostukraine weiter – und die Warnung aus dem Westen folgte auf den Fuß.

Ein ähnlicher Wunsch nach einem Referendum auf der Krim hatte vor acht Jahren die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel besiegelt. Dass die Kriegsgefahr gebannt wäre, kann der abgeklärte deutsche Kanzler bei seiner Rückkehr nach Berlin sicher nicht behaupten. Und auch die Verbündeten in Paris, London oder Washington bleiben äußerst skeptisch.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.