Leitartikel

Putin hat den Finger am Abzug

APA/AFP/STEFANIE LOOS
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Das Drehbuch und die Drohkulisse für eine russische Invasion in der Ukraine stehen. Doch wenn Putin rational agiert, gibt er den Einmarschbefehl nicht, sondern erpresst Zugeständnisse vom Westen.

Wladimir Putin weiß, wie man Spannung aufbaut. Doch leider arbeitet er nicht in Hollywood, sondern im Kreml. Die Welt blickt seit Monaten gebannt auf den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Die dramaturgischen Einfälle gehen dem russischen Präsidenten nicht aus. Am Samstag hat er ein Atommanöver inszeniert.

Vergangene Woche hatte es rund um den Moskau-Besuch des deutschen Kanzlers kurz den Anschein, als entspanne sich die Lage. Vor laufender Kamera erweckte Putin in einem theatralischen Beratungsgespräch mit seinem Außenminister den Eindruck, er gebe der Diplomatie eine Chance. Zugleich drangen aus Moskau Meldungen über einen Truppenabzug, was der Westen rasch in Zweifel zog. Offenbar hatte der russische Staatschef die Drohkulissen nur verschoben – und fügte neue hinzu. Mit großer Mehrheit forderte das Parlament den Präsidenten auf, er möge die separatistischen „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk formell anerkennen, um den „Völkermord“ in der Ostukraine zu stoppen. „Genozid“ – ein absurder Vorwurf, doch dieses Wort verwendete Putin auch in seiner Pressekonferenz mit Scholz.


Im Drehbuch für eine mögliche Invasion war damit eine weitere Seite aufgeschlagen: Nach Aufflammen von Kämpfen im Donbass, wo seit acht Jahren ein Krieg tobt, fingen die Separatisten am Freitag an, Frauen und Kinder nach Russland zu karren. Sie behaupteten, wie auch russische Medien in einer dreisten Täter-Opfer-Umkehr, ein Angriff der ukrainischen Armee stehe bevor. Am Samstag folgte die Generalmobilmachung in den Rebellengebieten. Es fehlte nur noch der Hilferuf an die russische Armee.

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