Märchendeutung

Des Mädchens „knospende Sexualität“

Eugen Drewermann ist der bekannteste lebende psychoanalytische Interpret von Märchen.
Eugen Drewermann ist der bekannteste lebende psychoanalytische Interpret von Märchen.Jens Kalaene/dpa/picturedesk
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Wofür stehen Wolf, Spindel, Schloss? Die psychoanalytische Märchendeutung hat Tradition.

Welches war denn Ihr liebstes Märchen als Kind? Passen Sie auf, das ist keine harmlose Frage. Dornröschen, hauchte etwa eine Moderatorin auf diese Frage dem deutschen Theologen und Psychoanalytiker Eugen Drewermann (*1940) einmal entgegen. Er war nett zu ihr, erklärte ihr nur, dass die Eltern Dornröschens des Mädchens sexuelles Erwachen verhindern wollen (mit 15, also dem Eintritt in die Pubertät, wird der Fluch die Prinzessin treffen). Dass deshalb alles, was spitz ist, womit man gestochen werden kann – ja, womit nur? – beiseite geschafft werden musste. Bis sich die Prinzessin schließlich doch den Turm (!) über eine enge Wendeltreppe (!) hinaufwagte, dort nach dem Aufschließen des Schlosses (!) mit einem Schlüssel (!) von einer Spindel (!) blutig gestochen wurde. Und „wie unter Hypnose von Schuld“, so Drewermann, in Schlaf, also ins Trauma, fiel.

Mehr mutete Drewermann der Moderatorin nicht zu, ließ etwa nichts von der Dornenhecke hören, die er schon einmal mit einer „Vagina Dentata“ verglichen hatte. Und Dornröschen als den Typ Frau bezeichnete, die Männer gleichzeitig anzieht wie abwehrt. Man kann in Märchen vieles phallisch bzw. sexuell verschlüsselt deuten, das verbinde sie mit den Träumen, in den einen wie den anderen werden Ängste und Sehnsüchte nicht direkt dargestellt, sondern symbolisch „verborgen“, meint Drewermann. Weswegen er in seiner therapeutischen Praxis gern die Frage nach dem Lieblingsmärchen in die Anamnese einbaue.

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