Lateinunterricht

Mit dem Latein am Ende?

Die Themen antiker Texte wie jene von Cicero sind auch heute noch relevant.
Die Themen antiker Texte wie jene von Cicero sind auch heute noch relevant. Getty Images
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Das Latinum ist für viele Universitätsstudien Zulassungskriterium. Wer kein Latein in der Schule hatte, kann es in einem neu konzipierten Kurs an der Uni Wien nachholen.

Wer sagt, die Römer spinnen? Was haben Wörter wie Jänner und Alibi mit ihnen zu tun? Und was macht eine Republik wortwörtlich aus? Das wissen die Lateinschüler von Christina Lang am Akademischen Gymnasium Wien. Sie lernen, dass viele Fragen und Begriffe von heute ihre Wurzeln in der Antike haben. Wer sich mit Latein beschäftigt, der versteht laut Lang nicht nur den eigenen Wortschatz besser: „Das sind Inhalte, die alle Menschen immer und unabhängig von Kultur und Religion interessiert haben.“

Latinum oft noch gefordert

Der offizielle Nachweis der Lateinkenntnisse heißt Latinum. Früher unterteilt in großes und kleines Latinum, entspricht es heute vier Schuljahren mit zweieinhalb Wochenstunden Latein und ist etwa an der Uni Wien Voraussetzung für fast 30 Studiengänge: darunter Rechtswissenschaften und medizinische Studien, deren Fachbegriffe auf lateinischem Vokabular aufbauen, aber auch Geschichte, Philosophie und viele Sprachstudien.

Heute ist das Latinum keine Selbstverständlichkeit mehr für Maturanten. Seit Latein als Pflichtfach an Realgymnasien abgeschafft wurde, müssen viele Studienanfänger die Lateinergänzungsprüfung absolvieren, entweder vor Studienbeginn oder vor Ende des Bachelors bzw. ersten Abschnitts. Viermal im Jahr gibt es Prüfungstermine, bei der lateinische Originaltexte übersetzt werden müssen. Gut ein Drittel pro Antritt scheitert.

Die Uni Wien bietet Gratis-Vorlesungen, die zwei Semester lang dreimal die Woche abgehalten werden – ein enormer Zeitaufwand. Nieves Cavic-Podgornik, Professorin am Institut für Slawistik, steht dem Latinum als Anforderung gespalten gegenüber. Persönlich ist sie überzeugt, dass ein guter Lateinunterricht den Sinn für Grammatik schärfe. Aber aus Erfahrung könne sie sagen, dass das Nachholen des Latinums ihren Russischstudenten zum Beispiel wenig bringt.

Es geht auch schneller als in zwei Semestern, etwa am Sprachenzentrum der Uni Wien, das mit dem Institut für klassische Philologie einen neuen Intensivkurs konzipiert hat. Mit Einheiten à drei Stunden wird mehr Training geboten als bei den meisten Crashkursen privater Anbieter. Der Kurs startet Mitte März und wird von Martin Tschurtschenthaler, Doktorand der Latinistik an der Uni Wien, geleitet. Aus seiner Erfahrung als Privatlehrer weiß er um die negative Haltung, mit der Studenten in einen Lateinkurs kommen. „Die meisten sind unmotiviert und empfinden großen Druck, weil sie sonst ihren Bachelor nicht abschließen können.“

Texte mit spannenden Themen

Tschurtschenthalers Kursskript ist ein Destillat aus 200 Prüfungstexten der vergangenen 40 Jahre. Es wird nur mit Originaltexten operiert. Das Konzept: erwachsenengerechte Texte, die in grammatische Phänomene schrittweise einführen und gleichzeitig intellektuellem Anspruch genügen. Die Texte reichen von Ciceros Gedanken zur Existenz Gottes bis hin zu Reiseberichten aus dem 16. Jahrhundert. „Ich hoffe, dass die Studenten mehr mitnehmen als nur die bestandene Ergänzungsprüfung.“

Vom nicht zweckgebundenen Nutzen ist Lang überzeugt: „Die grundlegenden Fragen des Menschseins, mit denen man in antiken Texten konfrontiert wird, bieten in unserer schnelllebigen Welt Orientierung.“ Mit dem Latein ist man also nie am Ende.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2022)

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