Gegengift

Pasolini und „Nosferatu“ zeigen auch den Horror unserer Tage

Prominente 100. Geburtstage sind 2022 reichlich zu feiern. An diesem Wochenende scheinen zwei davon zudem hochaktuell zu sein.

Dutzende Fans des Dezimalsystems pflegen eine besondere Passion bei uns im Gegengift. Sie feiern Hundertjährige. Tot oder lebendig. So werden sie Doris Days Geburtstag am 3. April familiär vorm TV-Gerät zelebrieren; alles Komödie. Am 27. Mai ist eine Grusel-Nacht für Christopher Lee geplant. Am 26. November werden sie mit ihren Beagles von Hundehütte zu Hundehütte ziehen, Lieder über den coolen Snoopy singen und dann seufzen: „Charles M. Schulz hatte recht. Die Welt ist noch immer so, wie Charlie Brown sie sah.“

Heuer ist dieser Hundertjährige Kalender prallvoll: José Saramago, Veronica Lake, Georg Kreisler, Judy Garland, Emil Zátopek . . . Heute denken wir an ein Genie. Am 5. März 1922 wurde in Bologna Pier Paolo Pasolini geboren. Den Hunderter schaffte er nicht, gerade die Hälfte solch erfüllten Lebens hatte er überschritten, als er 1975 ermordet wurde. Ein Übermaß hatte er zuvor der Kultur geschenkt.

Wie beschreibt man den vielseitigen Regisseur, Dichter und Denker aus dem Friaul, der nach Rom ging und berühmt wurde, für manche berüchtigt? Als Zerrissenen. Er litt unter dem Faschismus (sein Vater war Offizier, Mussolini-Anhänger) sowie der Katholischen Kirche. Die Kommunistische Partei schloss den jungen Lehrer aus, nachdem er wegen mutmaßlicher Verführung eines Minderjährigen und Unzucht in der Öffentlichkeit angezeigt worden war. Den Linken galt er oft als reaktionär, den Rechten immer als links. Vielleicht war er ein Anarchist, der kaum Tabus kannte.

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