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"Rot": Ein Mädchen macht Manderl

Plötzlich Panda: "Rot" von Disney/Pixar.
Plötzlich Panda: "Rot" von Disney/Pixar.Disney
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Dieser Panda steht nicht (nur) für Menstruation: Im Pixar-Film „Rot“ wird eine 13-Jährige zum Tier – und emanzipiert sich so von ihrer strengen Kinderstube.

Bei manchen Mädchen kommt die „rote Tante“ zu Besuch, bei anderen ist „Erdbeerwoche“ oder „Ribiselzeit“ – in jedem Fall ist eine eher unangenehme Überraschung roter Färbung gemeint, die oft unverhofft hereinplatzt, gern für Verlegenheit sorgt und dabei eigentlich nur Gutes bedeutet. Bei Meilin, der 13-jährigen Protagonistin des neuen Pixar-Animationsfilms „Rot“, ist es ein roter Panda, der plötzlich ihr Leben aufmischt. Mit Menstruation hat das gar nichts zu tun – und zugleich einiges.

Man hätte „Rot“ (im Originaltitel: „Turning Red“) auch „Pubertät. Der Film“ nennen können. Mit einschlägigen Metaphern wird nicht gespart. „Ist es schon so weit?“, fragt Meilins Papa verdruckst, als sie sich eines Morgens verzweifelt im Bad einsperrt. Es ist so weit: Meilin hat sich über Nacht in einen flauschigen (und muffig riechenden) Roten Riesenpanda verwandelt. Ein alter Familienfluch, erklären die Eltern: Eine Urahnin verwandelte sich einst in ein solches Tier, um Feinde abzuwehren und ihre Familie zu schützen. Die Gabe hat sie an ihre Nachfahrinnen weitergegeben, doch die haben zunehmend darunter gelitten. Wenn die Gefühle mit ihnen durchgehen, ploppt der Panda hervor – in der modernen Welt eher unpraktisch. „So darf dich keiner sehen“, warnt Meilins Mama. Zum Glück gibt es ein Ritual, das den inneren Panda austreiben soll. Bis dahin soll Meilin ihre inneren Regungen kontrollieren – um jeden Preis.

Vorsicht vor der Helikoptermutter!

Aber will sie das? „Rot“ spielt in einem streng geordneten Gefüge inmitten einer bunten, ausgeflippten Welt: Es ist das Toronto um 2002, die Schulkinder tragen knallige Farbkombinationen, kümmern sich um Tamagotchis und schwärmen für eine Boygroup namens 4*Town. In Toronto ist auch Regisseurin Domee Shi als Tochter chinesischer Einwanderer aufgewachsen. Shi arbeitet seit 2011 für Pixar. 2018 fiel sie mit ihrem Kurzfilm „Bao“ – über eine überfürsorgliche Mutter und eine Teigtasche, die zum Leben erwacht – positiv auf. Nun ist sie die erste Frau, die bei Pixar als alleinige Regisseurin (und Drehbuchautorin zusammen mit Julia Cho) einen Spielfilm verantwortet hat. Von ihrer eigenen Erfahrung inspiriert sei nicht nur dessen Setting, sondern auch die porträtierte Mutter-Tochter-Beziehung.

„Regel Nummer eins: Ehre deine Eltern“, umreißt Meilin zu Beginn des Films die Grundlagen ihres Aufwachsens. Ihre Familie betreibt einen Tempel als Touristenattraktion. Hier verrichtet Meilin brav ihren täglichen Dienst. Anfangs in perfekter Harmonie mit ihrer überzeugten Helikoptermutter (gesprochen von Sandra Oh), die vor Meilins gesamter Klasse ungeniert mit Hygieneartikeln herumwedelt. Von ihrer Tochter verlangt sie nicht weniger, als dass sie eines Tages UNO-Generalsekretärin wird. Und sie kann sich nicht vorstellen, dass einem Kind etwas anderes als die eigene Mutter je wichtig sein könnte. Ost und West treffen in diesem Film auch visuell aufeinander. Die Animationen sind – untypisch für Pixar – von einer Anime-Ästhetik geprägt, deutlich vor allem in den vor Entzückung oder Peinlichkeit erstarrten Gesichtern von Meilin und ihren Freundinnen. „Rot“ feiert das jugendliche Übersprudeln, das es zu akzeptieren und nicht zu verdrängen gilt. Und das Anhimmeln von Boybands, das in aller Detailfreude in Szene gesetzt wird.

Boygroup-Nummern von Billie Eilish

Billie Eilish und ihr Bruder Finneas schrieben für den Film drei mustergültige Boygroup-Nummern. „You're never not on my mind / I'm never not by your side“, flöten die 4*Town-Buben, während sie sich in reinweißer Wäsche in Posen werfen. Da schäumen die jungen Hormone hoch. „Wir gehen ins Konzert und kommen heraus als Frauen“, plant Meilins Mädchenclique ihre Initiation. Neben einem differenzierten Porträt unterschiedlicher Frauenbeziehungen liefert „Rot“ dabei auch die positive Botschaft, Veränderung als Chance zu begreifen und mit dem schwer Kontrollierbaren leben zu lernen: Ein Roter Panda muss einem nicht peinlich sein.

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