Filmkritik

„Eva-Maria“: Eine Frau mit Behinderung wünscht sich ein Kind

(c) Stadtkino
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Der Dokumentarfilm „Eva-Maria“ von Lukas Ladner ist ein intimes und sensibles Porträt, das an einem Tabu rührt. Im Kino.

Auch, was nicht gesagt wird, macht einen Film aus. In „Eva-Maria“ geht es um eine junge Frau mit spastischer Zerebralparese und starkem Kinderwunsch. Einer ihrer Assistenten, der Filmemacher Lukas Ladner, hat sie auf ihrem Weg zu einem eigenen Baby begleitet: Sein sensibler Dokumentarfilm zeigt seine Klientin in intimen Situationen. Wie sie sich einen Samenspender aussucht, bei Untersuchungen, einer Insemination oder wie sie auf das Ergebnis des Schwangerschaftstests wartet. Man erfährt nie die Ursache ihrer Behinderung. Man erfährt nicht den Grad. Man erfährt eigentlich auch nicht, welche Behinderung es ist – außer durch die Filmbeschreibung. Wozu auch? Für Eva-Maria gibt es keinen Grund, (wieder) über diese Dinge zu reden. Sie sind selbstverständlich.
Die Grenzen zwischen Freiheit und Abhängigkeit verlaufen bei ihr anders als bei den meisten Menschen. Freiheit bedeutet für sie, nicht bei ihrer Familie am Land in Oberösterreich, sondern in der Stadt in Innsbruck zu leben und zu arbeiten. Ganz ohne Unterstützung ist das nicht möglich. Sie hat ständig einen Assistenten.

Der Film zeigt ihren Alltag und rührt auf beiläufige Art an einem Tabu: Dass eine Frau mit Behinderung ein Kind bekommt, allein noch dazu, ist alles andere als alltäglich. Eva-Maria kann nicht ohne Hilfe schwanger werden oder einen Säugling betreuen. Hat sie ein Recht auf ein Kind? Diese Frage stellt der Film nicht, auch nicht ihr Umfeld. So soll es auch sein. Ablehnung gibt es freilich, aber der Film – und die Familie – geben dieser wenig Raum. Nur einmal erzählt die Mutter, wie sie wegen Eva-Marias Behinderung genannt wurde: ein „Flitscherlweib, die der Herrgott mit dem Kind gestraft hat“. Den Nachbarn müsse man eben eine Geschichte auftischen, wie Eva-Maria schwanger wurde, meint sie. Sie ist eine pragmatische Frau, skeptisch und unterstützend zugleich. Kurz vor der Geburt zieht Eva-Maria zu ihr.

„Was, wenn ich versage?“

Sie wolle nicht, dass das Kind später ihr Assistent werde, sagt Eva-Maria einmal. Mehr beschäftigt die werdende Mutter aber die Frage der Werte, die sie ihrem Kind mitgeben will. Und ihre Angst, dass es auf die schiefe Bahn gerät: „Was ist, wenn ich versage?“, fragt sie sich. Meist ist sie aber optimistisch: „Ich weiß nicht die ganze Lösung. Ich weiß nur, dass es schaffbar ist.“

Zu diesem „schaffbar“ gehören auch die Assistenten. Ladner zieht sich nicht völlig hinter die Kamera zurück. Man sieht ihn beim Schwimmen mit Eva-Maria oder im Gespräch mit ihr. Zuweilen wirkt ihre Beziehung wie eine platonische Partnerschaft. Diese endet bald, nachdem Eva-Marias Sohn auf die Welt gekommen ist. Die durchwachten Nächte waren ihm zu viel. Schade, denn mit der Mutterschaft werden die Themen Freiheit und Abhängigkeit neu verhandelt.

Am Schluss sieht man Eva-Maria mit ihrem circa zweijährigen Sohn. Noch wohnt sie bei den Eltern, aber der Wunsch nach mehr Autonomie wird drängender: Einmal fahren Mutter und Sohn nach Tirol. Mit Blick von der Zugspitze aus auf die Stadt erklärt sie dem Bub, wo sie einmal gearbeitet und gewohnt hat – und auch, dass sie noch nicht genau weiß, wo sie später einmal leben werden: „Das wird eine Überraschung.“

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