Pop

Trotz allem ein Ermutiger: Wolf Biermann in Wien

Der große Liedermacher sang im Stadttheater Walfischgasse.

„'s ist Krieg! Nun schließt mein Lebenskreis sich höllenwärts“, sang Wolf Biermann in seiner neuen „Elegie im 86. Jahr“, in der er betrübt klingt wie selten zuvor. „Mir kommt es vor, als ob Putin den Dritten Weltkrieg eröffnet hätte“, sagte er im Stadttheater Walfischgasse. Und: „Putin ist schlimmer als Hitler und Stalin.“ Warum? Nach einer langen Kunstpause gab er selbst die Antwort: „Weil er Atombomben hat.“

Man sah dem 85-jährigen, doch völlig agilen Sänger seine tiefe Sorge an, es wirkte, als ob er seine „Ermutigung“ gerade für sich selbst gesungen hätte: „Du lass dich nicht verbittern, in dieser bittern Zeit . . .“ Geschrieben hat er dieses wunderbare Lied noch in der DDR, bevor ihn die dortigen Machthaber 1976 ausbürgerten: Die Kritik des einst überzeugten Kommunisten, der 1953 von Hamburg in die DDR gezogen war, hatten sie nicht vertragen. Längst hat die Geschichte sie überholt. „Es wechseln die Zeiten, da hilft kein' Gewalt“, heißt es in Brechts „Lied von der Moldau“. Es hätte in Biermanns Programm gepasst, zu dessen 1991 entstandenem „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“. „Ich ging von West nach Ost nach West“, heißt es darin, „und hielt mich an meinen Waffen, der Gitarre und dem Bleistift, fest.“

„Mit Bleistift und Gitarre“ hieß auch ein Programm von Arik Brauer. Diesem „Luftmenschen“ hätte er noch gern ein paar Lieder vorgesungen, meinte Biermann, soeben mit dem – vom Nahost-Thinktank Mena-Watch vergebenen – Arik-Brauer-Preis ausgezeichnet. Was ihn mit Brauer verbinde, grübelte er – und kam auf den großen jüdisch-deutschen Dichter Heinrich Heine, dessen „Loreley“ er in seiner „Rheinfahrt“ variiert hat. Auch auf Shakespeare kam er, dessen Sonette er so wortgewaltig übersetzt hatte.

Und, natürlich, immer wieder auf Brecht, den unartigen Günstling der Musen, dessen Grabstein – aus „grauem Granit, passt grade für Brecht nicht schlecht“ – er im Lied „Hugenottenfriedhof“ auf ebendiesem besucht. Dort steht Biermann, neuerdings Ehrenbürger von Berlin, nun ein Ehrengrab zu. Hoffentlich bezieht er es noch lang nicht. Das nächste Mal in Wien, versprach er, werde er mehr über die Liebe als über den Krieg singen. Wenn dieser dann vorbei sein wird. „Und immer hab ich neu gehofft“, sang er: „So kann man leben.“ Bis bald. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2022)

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