Junge Forschung

Quantenzukunft mit Superatomen

Das starke Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment sieht Hannes Pichler als einen der spannendsten Aspekte der modernen Quantenphysik.
Das starke Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment sieht Hannes Pichler als einen der spannendsten Aspekte der modernen Quantenphysik.(c) Thomas Steinlechner
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Auf dem weiten Weg zum praxistauglichen Quantencomputer sind Rydberg-Atome ein vielversprechender Ansatz. Der theoretische Physiker Hannes Pichler erforscht sie.

Im Gegensatz zum herkömmlichen Computer, der mit den elementaren Informationseinheiten null oder eins arbeitet, rechnet ein Quantencomputer nach den bizarren Gesetzen der Quantenmechanik. Das heißt mit Quantensystemen, bei denen die Werte null und eins kein Entweder-oder sind, sondern sich überlagern. Dabei sind kleinste miteinander wechselwirkende Licht- und Materieteilchen ein zentraler Baustein. „Quantenmechanische Effekte und Phänomene können sehr komplex sein, insbesondere wenn es um Systeme mit vielen Teilchen geht“, sagt Hannes Pichler. Er ist Professor für theoretische Physik an der Uni Innsbruck und leitet außerdem eine Arbeitsgruppe am Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). „Zum einen erforschen wir, wie wir Eigenschaften von quantenoptischen Systemen bestmöglich für neue Technologien nutzen können, zum anderen entwickeln wir mathematische Methoden für ein besseres Verständnis dieser Systeme.“

Atome mit speziellen Eigenschaften

Ein mit rund 1,5 Millionen Euro dotierter Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) ermöglicht es dem 35-Jährigen nun, sich detailliert mit der theoretischen Beschreibung sogenannter Rydberg-Atome zu befassen. In den vergangenen Jahren haben sich die nach dem schwedischen Physiker Johannes Rydberg benannten Teilchen als besonders aussichtsreich für den Bau von Quantensimulatoren und Quantencomputern erwiesen.

Das Prinzip: Individuell mithilfe optischer Pinzetten gefangene und in verschiedensten Strukturen angeordnete Atome werden mit Laserlicht so manipuliert, dass ihr Elektron in hochangeregte Zustände versetzt wird. „Grob gesagt umkreist das Elektron eines Rydberg-Atoms den Atomkreis in einer Umlaufbahn, die um ein Vielfaches größer ist als die eines gewöhnlichen Atoms“, erklärt Pichler. „Solche Elektronen funktionieren wie elementare Antennen, darum können Rydberg-Atome über relativ große Entfernungen mit anderen Rydberg-Atomen wechselwirken.“ Zudem könne man sie sehr gut und in hoher Anzahl kontrollieren. Pichlers Team wird das Potenzial bestimmter Eigenschaften der Rydberg-Atome für die Quantenverarbeitung untersuchen und im Zuge dessen auch ein erst vor Kurzem entdecktes Quanten-Vierteilchenphänomen als Werkzeug zur Erzeugung hochverschränkter Zustände nutzen.

„Weiters erforschen und entwickeln wir auf Basis von Rydberg-Atomen neuartige Ansätze für die Implementierung von Quantenalgorithmen zur Lösung mathematischer Optimierungsprobleme“, ergänzt der Wissenschaftler. Neben der Freude über die Anerkennung sieht er den Förderpreis vor allem als „Ansporn, weiterhin interessante Physik zu machen“. Bei dem ERC-Projekt kooperieren die Innsbrucker mit führenden Laboren in der ganzen Welt.

Zu seinem heutigen Forschungsfokus hat der Südtiroler im Labor von Mikhail Lukin an der Harvard University (USA) gefunden. „Viele der Ideen, für die ich jetzt den Starting Grant des ERC bekommen habe, wurzeln in dieser Zeit.“ Den Weg nach Harvard und später nach Kalifornien ans Caltech (California Institute of Technology) führt er nicht zuletzt auf die internationale Reputation seines Doktorvaters, Peter Zoller, zurück, bei dem er in Innsbruck theoretische Quantenoptik studiert hat. „Er hat mich fachlich und in meinem Werdegang sehr geprägt, indem er mir die Arbeit an hochaktuellen Themen ermöglicht hat.“

In Jugendjahren habe er sich eigentlich hauptsächlich für Mathematik interessiert, schildert Pichler seine Anfänge. „Nachdem ich mich im letzten Schuljahr in die Relativitätstheorie und Quantenmechanik eingelesen hatte, dachte ich mir aber, dass ich meine Leidenschaft für Mathematik wohl am besten beim Studium der theoretischen Physik ausleben kann.“

Den Kopf frei bekommt der Quantenphysiker meist bei Outdoor-Aktivitäten. „Eine Wanderung und danach an einem Bergsee in der Hängematte chillen ist etwas Wunderbares.“

ZUR PERSON

Hannes Pichler (35) hat an der Universität Innsbruck Physik studiert und in theoretischer Quantenoptik promoviert. Er war von 2016 bis 2020 Postdoc in den USA (Harvard University und California Institute of Technology). Seit April 2020 ist er Professor für theoretische Physik an der Uni Innsbruck und Gruppenleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2022)

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