Red Hot Chili Peppers

Neue kalifornische Coolness

Lässigkeit geht vor instrumentaler Protzerei: Flea, John Frusciante, Chad Smith, Anthony Kiedis.
Lässigkeit geht vor instrumentaler Protzerei: Flea, John Frusciante, Chad Smith, Anthony Kiedis.Warner
  • Drucken

Die alten Buben entdecken auf „Unlimited Love“ die Gelassenheit.

Melodiöser Bass, sedierende Keyboards und giftige Funkgitarre locken ins Szenario von „Poster Child“, einem Song, in dem die Red Hot Chili Peppers ihre musikalischen Heroen aufzählen. Solide gereimt, versteht sich. „The seventies were such a win, singing the Led Zeppelin“, heißt es da etwa. Es folgt ein Namedropping durch die halbe Popgeschichte, von George Clinton bis zu M.I.A., von Melle Mel bis Richard Hell, von Robert Plant bis Adam Ant. In Kalifornien passt alles zu allem, Hauptsache, die Sonne scheint: Das war von Beginn an das Prinzip der 1983 gegründeten Red Hot Chili Peppers.

Posterboys sind sie heute keine mehr, und sie sind sich der Halbwertszeit ihrer Kunst bewusst. „You got the best of my loco“, singt Anthony Kiedis in „Poster Child“. Verrückt gebärdet er sich mittlerweile nicht mehr. Ja, er fand in den letzten Jahren, trotz eines ungeheuer hässlichen Pornoschnauzbarts, sogar zu einer gewissen Coolness. Seine Band muss nicht mehr tun, als breche sie zu unbekannten Territorien auf. Sie versetzt sich lieber in ihren einstigen Geist des Aufbruchs. So blitzt in „Unlimited Love“ oft ungewohnte Gelassenheit auf. Dabei halfen Produzent Rick Rubin und noch mehr der zurückgekehrte Paradegitarrist John Frusciante. Sein Spiel sorgt auch in relaxten Szenarien wie „Black Summer“ für unterschwellige Spannung. In „The Heavy Wing“ spielt er passagenweise eine harte Rockgitarre, meist tritt er entspannt das Wah-Wah-Pedal.

Überhaupt herrscht eine neue Bescheidenheit im Umgang mit den Instrumenten. Im Spiel wird viel angedeutet, was dann nicht ausgereizt wird. Lässigkeit geht vor instrumentale Protzerei. Selbst das von wilden Free-Jazz-Trompeten durchpflügte „Aquatic Mouth Dance“ gehorcht einer eleganten Songstruktur. Kiedis' Gesang klang selten entspannter als bei diesem Lob auf die alten Zeiten. „Lookin' back at the years gone by, when ,The Message‘ changed my life“, singt er, gemeint ist der Rap von Grandmaster Flash. So erinnert er sich an die Achtzigerjahre, als das Wort Zukunft für ihn noch verheißungsvoll klang. Dazu passen die Assoziationen an die rührende Science-Fiction-Filmreihe „Planet der Affen“ in „The Great Apes“. Auch der Mensch sei ein Menschenaffe, und alle Menschenaffen sollen frei sein, singt Kiedis soulig, Frusciantes schneidende Gitarrensoli erhöhen die Dringlichkeit.

Wird so die altmodische Rockgitarre wieder hip? Alles, was soundmäßig an aktuelle Charts erinnern könnte, fehlt jedenfalls. Dafür blitzt manchmal Weltschmerz auf. Etwa in „It's Only Natural“: Kiedis versetzt sich hier in die Pose von Cat Stevens, den er sehr schätzt. Das tragische Liebeslied spielt im London der späten Sixties. „They were a perfect pair, a clash of two beauties“, singt Kiedis zu sanften Bassfiguren von Flea. Trotz Anziehung klappt es nicht. Was hingegen funktioniert, ist die knappe Erzählung dieses Scheiterns. So geht musikalische Ökonomie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.