Leitartikel

Emmanuel Macron muss von seiner Wolke heruntersteigen

Reuters
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Frankreichs Präsident hat gedacht, dass ihm die Wiederwahl in den Schoß fallen würde. In Marine Le Pen erwächst ihm eine echte Herausforderung.

Am Ende rissen die Prognosen Emmanuel Macron aus seiner staatsmännischen Inszenierung und von seiner Wolke als europapolitischer Visionär und diplomatischer Krisenmanager im Élysée-Palast. Frankreichs Staatschef warnte vor einem „Brexit-Moment“, einem Wahlschock – einem Votum für Marine Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag. Ein wenngleich nur symbolischer Sieg der Rechtspopulistin im ersten Durchgang würde nicht nur Paris erbeben lassen – ähnlich wie beim zweiten Platz für ihren Vater, Jean-Marie Le Pen, vor 20 Jahren –, sondern auch Schockwellen durch Europa und die Börsen jagen. Im Ausland ist der 44-Jährige, der vor fünf Jahren mit Verve, Elan und Esprit ans Werk gegangen ist, viel populärer als in der Heimat.

Im Macron-Lager wuchs die Nervosität mit jedem Tag, an dem die Umfragewerte des Präsidenten fielen. Seine Strategie hatte er von Charles de Gaulle abgekupfert: sich über die Niederungen des Wahlkampfs erheben, die Konfrontation mit den Gegenkandidaten tunlichst meiden und die Kandidatur zum spätestmöglichen Zeitpunkt – fünf Wochen vor dem Urnengang – proklamieren. Der Großmeister der Inszenierung tat dies beiläufig in einem in Regionalzeitungen publizierten Brief an die Wähler. Der Präsident, der turnusmäßige EU-Ratsvorsitzender im ersten Halbjahr, tummelte sich stattdessen auf der großen Europa-Bühne und auf Osteuropas Krisenschauplätzen. Und er versuchte sich als Psychotherapeut Wladimir Putins, was indessen gründlich schiefging – wie insgesamt seine Strategie der Einbindung Russlands in Europa.

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