Morgenglosse

Ein Déjà-vu mit Rechtsdrall in Paris

Die Stichwahl am 24. April bringt eine Neuauflage des Duells Macron gegen Le Pen. Noch hält die Brandmauer der republikanischen Front gegen den Extremismus. Aber sie bröckelt.

Emmanuel Macron war die Erleichterung anzumerken. Beinahe wäre seine Strategie ins Auge gegangen, den Wahlkampf der Konkurrenz zu überlassen. Marine Le Pen hatte eine furiose Aufholjagd gestartet, und auf einmal schien sie vielen durchaus salonfähig. Der Präsident war darüber so alarmiert, dass er auf den letzten Metern wild gegen sie ausschlug und vor einem „faschistischen Staat“ und einer „Gefahr für die Demokratie“ warnte. Die staatsmännische Gelassenheit war plötzlich dahin.

Bei der Stichwahl am 24. April kommt es zum Déjà-vu, zu einer Neuauflage des Duells Macron gegen Le Pen – allerdings mit einem deutlicheren Rechtsdrall als vor fünf Jahren. Mit Ausnahme des rechtsradikalen Eiferers Éric Zemmour prasselten nach den ersten Hochrechnungen unter der wohl bekannten Devise „Le Pen verhindern“ die Wahlaufrufe für Macron über die Wähler herein – von linksaußen bis nach rechts. „Keine Stimme für Le Pen“, postulierte der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon. Und wie zur Bekräftigung rief der Volkstribun die Parole gleich noch einmal von der Bühne. Dass ein Gutteil seiner Anhänger in der zweiten Runde zu Le Pen überlaufen oder der Wahl ganz fernbleiben wird, ist indes ein realistisches Szenario.

Auch die Konservative Valérie Pécresse und die Sozialistin Anne Hidalgo beeilten sich mit Pro-Macron-Appellen. Noch also hält die Brandmauer der republikanischen Front gegen den Extremismus in Frankreich. Doch sie bröckelt. Der kapitale Niedergang der einstmals dominierenden Volksparteien, der Republikaner und der Sozialisten, hat sich am Sonntag weiter fortgesetzt.

Wie sich die französische Parteienlandschaft nach Ende einer wahrscheinlichen zweiten Amtszeit für Emmanuel Macron zusammenfügt, steht in den Sternen. Womöglich kann Ex-Premier Édouard Philippe der Macron-Bewegung En marche neues Leben einhauchen. Doch der Rechtsextremismus errang am Sonntag einen Achtungserfolg: Auf Le Pen und Zemmour entfiel immerhin ein Drittel der Stimmen – und mit Mélenchon erzielten die Extremisten mit Überschneidung in der Sozialagenda sogar die absolute Mehrheit.

Der Trend weist in die Richtung des rechten Rands. Und Marion Maréchal, die Nichte Le Pens, die diesmal mit ihrer Tante gebrochen hat, ist jung und ambitioniert genug, um dereinst als Präsidentin im Élysée einzuziehen. Für die kommenden fünf Jahre scheint die Gefahr einer Nachfahrin des Patriarchen Jean-Marie Le Pen im Präsidentenpalast indes noch gebannt.

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