Literatur

Wenn man in Wien zum Papagei wird

Simon Sailer
Simon Sailer(c) Sarah Kanawin
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Simon Sailer fördert mit seiner Erzählung „Der Schrank“ das Unheimliche zutage.

Wie würde es wohl dem Philosophen Immanuel Kant beim Lesen von Simon Sailers Wiener Trilogie gehen? Die Idee des Dings an sich, das sich unserer Erkenntnis entzieht, erhält in den Erzählungen „Die Schrift“ (2020), „Das Salzfaß“ (2021) und nunmehr „Der Schrank“ eine eigene symbolische Qualität des Unheimlichen. Die erzählerische Spannung liegt insbesondere in dem Kontrast einer realistischen Einbettung der Handlung in die Gegenwart und einem kontinuierlichen Abdriften in das Beklemmende, einer Zersetzung dessen, was man als Wirklichkeit buchstäblich dingfest zu machen versucht; die erlösende Erklärung bleibt jedoch aus.

Lena ist Möbelpackerin und wird beauftragt, mit ihren Assistenten Georg Kornherr und Yilmaz Oktay einen Schrank zu transportieren. Dieser weist ungewöhnliche Schrankbeine auf, die menschliche Köpfe mit Mimik darstellen. Als dann ein Bein abbricht, scheint sich die Wirklichkeit zu verändern. Mehr und mehr tauchen Tiere auf, und rasch verdächtigt man sie, verzauberte Menschen zu sein. Als etwa Lena in einem Heimwerkerbedarf Holzleim kaufen möchte, um das abgebrochene Bein anzukleben, verschwindet plötzlich die Verkäuferin, und im Geschäftslokal ist bloß ein Papagei anwesend, der den Preis für den Leim monoton wiederholt.

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