Filmfestival

Crossing Europe: In Linz hält das Euro-Kino zusammen

Crossing-Europe-Spitze seit Herbst 2021: Katharina Riedler (37, l.) und Sabine Gebetsroither (44).
Crossing-Europe-Spitze seit Herbst 2021: Katharina Riedler (37, l.) und Sabine Gebetsroither (44).Crossing Europe
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Am 27.4. eröffnet das Crossing Europe seine 19. Ausgabe unter neuer Doppelleitung. Sabine Gebetsroither und Katharina Riedler erklären im „Presse“-Gespräch, warum 2022 ein „Konsolidierungsjahr“ für sie ist.

Viel ist dieser Tage vom europäischen Zusammenhalt die Rede. Von der großen Bedeutung des geeinten Auftretens einer Staatengemeinschaft, die nicht bloß strukturell und wirtschaftlich, sondern auch ideell und emotional tief verbunden ist. Doch was diese oft beschworenen immateriellen Bande auszeichnet, lässt sich über die üblichen Floskeln von geteilten Werten hinaus gar nicht so leicht benennen.

Eine konkretere Vorstellung davon, was das Gebilde „Europa“ im Detail kennzeichnet, was die Menschen, die darin leben, umtreibt und in der Nacht wachhält, wovon sie träumen und worum sie sich sorgen, wofür sie kämpfen und wovor sie Angst haben: Die kann man sich schon seit 18 Jahren im Kino machen. Und zwar beim Crossing Europe, dem wichtigsten Filmfest der vielerorts immer noch als provinziell verschrienen Stadt Linz. Hier wird das sozial engagierte Filmschaffen des europäischen Kontinents in all seiner Vielfalt zur Schau gestellt, ohne ästhetizistischen Dünkel oder falsches Ost-West-Gefälle im Programm. Hier treffen sich (vorwiegend junge) Filmemacherinnen und Filmemacher aus allen Ländern Europas, um Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam zu feiern.

Zwei alte Häsinnen als Neo-Doppelspitze

Seit 2021 steht dieser Euro-Hotspot filmkultureller Basisarbeit unter neuer Leitung: Sabine Gebetsroither und Katharina Riedler haben im vorigen Oktober die Agenden von Gründerin und Langzeitintendantin Christine Dollhofer übernommen, die jetzt dem Filmfonds Wien vorsteht. Die Führung eines großen Filmevents ist Neuland für das Duo, das künstlerische und geschäftliche Zuständigkeiten gleichwertig untereinander aufteilt. Aber, wie die beiden im „Presse“-Gespräch erklären: „Wir haben den Vorteil, dass wir das Festival schon kennen.“ Gebetsroither hat schon 2004, ein Jahr nach der Gründung, als Praktikantin beim Crossing angefangen. Im Lauf der Zeit bekleidete sie verschiedene Positionen, war etwa im Pressebüro und als Assistenz Dollhofers tätig.

Riedler begann vor zehn Jahren als Produktionsleiterin und wechselte später in die Programmkoordination. Dabei wurden die beiden verstärkt in die Gesamtprogrammauswahl eingebunden – und waren nebenher auch bei anderen Festivals aktiv.

Als Dollhofer ihre Abdankung bekannt gab, reichten Riedler/Gebetsroither eine Bewerbung für die Nachfolge ein. Der Vereinsvorstand der Moviemento GmbH – Hauptgesellschafter des Crossing Europe und Betreiber der zentralen Spielstätten des Festivals – war angetan und setzte auf eine interne Nachbesetzung. Sowie auf regionale Kontinuität, die im Kontrast zur zunehmenden Internationalisierung an der Spitze vieler vergleichbarer Veranstaltungen steht.

Die Erfahrung der neuen Doppelspitze tut jedenfalls not in Pandemiejahr drei. Obwohl die Inzidenzen sinken, ist Covid ein hartnäckiger Unsicherheitsfaktor: „Wir haben noch immer Quarantänefälle im Team“, klagen Riedler und Gebetsroither. Vor der Zoom-Kamera sitzen sie mit Maske, ein Ausfall so kurz vor Eventbeginn wäre ärgerlich. Achtsam bleiben sie auch in Bezug auf die Besucherschaft: Die beliebte Konzert-Nightline des CE, die jetzt wieder regulär stattfinden kann, wird zum Teil als Open-Air auf dem Linzer OK-Platz für Stimmung sorgen.

Coronaresistent zeigt sich indes die Qualität des Programms. Zum Teil half Dollhofer hier noch aus, da die Nachfolge nicht fix war, als schon in Cannes gestöbert werden musste. Neben den Spielfilm- und Doku-Wettbewerben, die traditionell junge Euro-Talente ins Licht rücken, bleiben bewährte Festivalschwerpunkte intakt – darunter Reihen wie „Arbeitswelten“, „Architektur und Gesellschaft“ sowie die Horror- und Fantasy-affine „Nachtsicht“.

Down-to-Earth statt viel Chichi

Dem Unheimlichen wahlverwandt ist auch der diesjährige Tribute-Gast Fabrice du Welz. Sein Werk oszilliert kunstfertig zwischen Drama, Fantastik und düsterer Hochspannung. Eröffnet wird die 19. Festivalausgabe unter anderem mit „A E I O U“, dem jüngsten Film von Nicolette Krebitz. Im „European Panorama“ findet sich Neues von etablierten Stammgästen wie Ursula Meier und Helena Třeštíková.

Programmtechnisch sieht Gebetsroither 2022 als „Konsolidierungsjahr“ nach Corona: Es gäbe Ideen für Neuerungen, man wolle sie aber nicht übereilt umsetzen. Auffällig ist wie eh und je die hohe Frauenquote im Programm. „Uns ist wichtig, dass sich Diversität in allen Sektionen widerspiegelt“, sagt Riedler. Was auch im Hinblick auf Genres und Publikum gilt. Gebetsroither: „Die Stärke des Festivals war schon immer, dass es niederschwellig ist, alle willkommen heißt und für jeden etwas bereithält.“ Man müsse nicht die Kleidung wechseln, um am Abend zum Crossing zu gehen. Das passe auch zu Linz: „Bei uns gibt es nicht viel Chichi, wir bleiben Down-to-Earth.“

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