Ukraine

Wie ein russisches Kommando Präsident Selenskij schon in der ersten Kriegsnacht töten wollte

via REUTERS
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Russische Spezialeinheiten versuchten bereits am 24. Februar in den Präsidentenpalast in Kiew einzudringen - und scheiterten. Ein US-Journalist rekonstruiert die dramatischen Stunden.

Der russische Plan zur Eroberung Ukraine war relativ simpel. Als eine der allerersten Aktionen des Angriffs am 24. Februar hätte eigentlich Präsident Wolodymyr Selenskij „ausgeschaltet“ werden sollen - von den Russen ermordet oder festgenommen werden. Durch die „Neutralisierung“ der Regierung und ihres populären Oberhauptes wäre der Widerstand des militärisch unterlegenen Landes schnell gebrochen, so das Kalkül des Kremls. Und dies wäre den russischen Truppen fast tatsächlich gelungen.

Die dramatische Nacht des 24. Februar im Präsidentenpalast in Kiew rekonstruiert nun der renommierte US-Journalist Simon Schuster im Nachrichtenmagazin „Time", nachdem er fast zwei Wochen im Präsidentenpalast verbrachte und ausführliche Gespräche mit Selenskij sowie dessen engsten Mitarbeitern führte.

Wie im Actionfilm

Von den ersten Stunden der Nacht habe er nur eine „fragmentierte“ Erinnerung, berichtet der Präsident dem US-Reporter. Nach den ersten Bombardements hätten er und seine Frau die beiden Kinder geweckt und ihnen gesagt, sie müssten den Präsidentenpalast verlassen. „Es war laut, wir hörten Explosionen.“

Sehr bald teilten ihm seine Militärs aber mit, dass ein Team russischer Spezialeinheiten mit Fallschirm in Kiew gelandet sei - mit dem Auftrag, ihn zu töten.  „So etwas hatten wir nur in Filmen gesehen“, erinnert sich Andriy Yermak, der Stabschef des Präsidenten. 

Wie im Actionfilm ging es weiter. Vor dem Gebäudekomplex des Präsidentenpalastes wurde wild geschossen, während Selenskij, seine Kinder und seine Frau immer noch im Palast waren: Zwei Mal hätten die russischen Militärs versucht, den Palast zu stürmen, rekonstruiert Schuster. Aber es sei ihnen nicht gelungen.

Im Palast selbst war es indes stockdunkel. Die Wachen hatten alle Lichter ausgeschaltet, davor hatten sie Waffen und kugelsichere Westen verteilt, schießen konnte allerdings kaum jemand des Präsidenten-Stabs. „Es war ein Irrenhaus, jeder bekam automatische Waffen“, sagt Oleksiy Arestovych, einer der wenigen Mitarbeiter, der wusste, wie man ein Sturmgewehr verwendet.

Selenskij wollte nicht ins Exil

Selenskij lehnte laut „Time"-Rechereche bereits zu diesem Zeitpunkt ab, in Sicherheit gebracht zu werden. Ebenso weigerte er sich demnach, von britischen und US-Spezialeinheiten in Sicherheit gebracht zu werden, um im Ausland eine Exilregierung aufzubauen.

Stattdessen begab er sich am 25. Februar in den Hof des Präsidentenpalastes und nahm mit seinem Handy das berühmte Video mit Durchhalteparolen auf.

Der frühere Schauspieler selbst erinnert sich gegenüber „Time": In diesem Moment habe er erfasst, welche gewichtige Rolle er spiele. „Sie schauen zu“, sagt er. „Du bist ein Symbol, du musst handeln, wie das von einem Staatsberhaupt erwartet wird.“

Kiew hat Selenskij immer noch nicht verlassen - im  Gegensatz zu allen russischen Erwartungen.

(red. )

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