Im Kino

„Taktik“: Ein Geiseldrama wie eine spannende Schachpartie

(c) Einhorn Film
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Ein echter Fall inspirierte Marion Mitterhammer zu „Taktik“. Der Film lebt vor allem vom exzellenten Schauspiel.

Es ist der 14. November 1996. Im Hochsicherheitsgefängnis Graz-Karlau kommt es zu einer Geiselnahme. Drei Schwerverbrecher bringen drei Frauen in ihre Gewalt. Sie sind zum Äußersten entschlossen, fordern Geld – und Freiheit. Dass die Sache vergleichsweise glimpflich ausgeht, ist dem Verhandlungsgeschick des Grazer Polizisten Eduard Hamedl zu verdanken, der die Geiselnehmer taktisch klug hinhält und ihnen letztlich die entscheidenden Informationen entlockt, die dazu führen, dass eine Einsatzgruppe der Cobra die drei überwältigen kann ...

Marion Mitterhammer hat aus diesem Stoff, den ihr Hamedl auf einem Fest in einer lebhaften Erzählung schilderte, gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Regisseur und Kameramann Hans-Günther Bücking einen aufwühlenden Film gemacht, der die Essenz der Verhandlungsführung in den Titel hebt: „Taktik“ bleibt bis zuletzt spannend, obwohl man aufgrund der Historie von Anfang an weiß, wie es ausgehen wird. Das liegt vor allem an den exzellenten Schauspielern.

Im biederen Pullover und mit Retrobrille sitzt Alois Steindl in seiner Zelle und tippt auf einer Schreibmaschine. Wie ein Studienrat aus dem vorigen Jahrhundert wirkt Harald Krassnitzer in dieser Rolle – verstaubt, zurückhaltend, fast übertrieben höflich. Nur sein bohrender Blick scheint sich bis in die Eingeweide zu graben. Wortlos hat Steindl sein Frühstückstablett entgegengenommen. Gleich wird er mit den anderen auf den Gang treten, um sich im kleinen Gefängnisladen mit Zigaretten und anderem Zeug einzudecken, das das lange Warten auf die Freiheit erträglicher macht. Aber Steindl will nicht mehr warten. Gemeinsam mit Hans Grobbauer (Michael Thomas) und Abdullah (Anoushiravan Mohseni) hat er die Geiselnahme geplant, die er als Anführer in einer Kaltblütigkeit durchzieht, die man diesem unscheinbaren Typen mit dem akkurat geschnittenen Oberlippenbart nicht zutraut.

Krassnitzer ist in dieser für ihn ungewohnten Rolle hervorragend. Wiewohl optisch vom knuddeligen „Tatort“-Kommissar Moritz Eisner nicht weit entfernt, verströmt er als Steindl eine Eiseskälte, die schaudern lässt. „Wie ist der werte Namen?“, fragt er seine Geisel höflich und schnallt ihr einen Sprengsatz um. Sein gutes Benehmen kontrastiert die Brutalität, mit der die drei Männer vorgehen. Als Hans einer der Frauen (neben Mitterhammer selbst spielen Michou Friesz und Bojana Golenac) die Auslöser-Kontakte ihres Sprengsatzes zwischen die Zähne klemmt – wenn sie los lässt, explodiert sie – und von ihr verlangt, sie solle „wie ein Hundsi“ Männchen machen, erklärt ihr Steindl in gönnerhaftem Ton: „Sie müssen wissen, der Herr Grobbauer hat nicht das beste Verhältnis zu Frauen. Seine Tätigkeit als Zuhälter und Fleischhauer hat ihn ein bisserl dumpf werden lassen.“

Naivität als psychologische Waffe

Die Spannung wird von der menschen- und frauenverachtenden Art der drei Männer angetrieben, denen man zutraut, dass sie die Drohung wahr machen, ihren Geiseln Gliedmaßen abzuschneiden oder eine der Bomben zu zünden. „Der Abdullah, der hat das ja gelernt da unten“, sagt Steindl zum Verhandler, der im Film Fredi Hollerer heißt. Auch er großartig besetzt mit Simon Hatzl, der den Geiselnehmer mit Belanglosigkeiten hinhält, bis der Verhandler aus Wien aufkreuzt (arrogant: Florian Scheuba). Tatsächlich agierte Hamedl mit Empathie und psychologischem Gespür, setzte gespielte Naivität und Worte als Waffe ein und wiegte sein Gegenüber wie ein Schachspieler in Sicherheit. „Der Hollerer scheint einfach gestrickt zu sein. Von dem haben wir nichts zu befürchten“, sagt Steindl. Schachmatt.

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