Neuer Kottan-Film für alte Kottan-Nostalgiker

Neuer KottanFilm fuer alte
Neuer KottanFilm fuer alte(c) APA/SATEL FILM / J. GALLAUER (SATEL FILM / J. GALLAUER)
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Peter Patzak, der bereits die TV-Serie drehte, erinnert an den Karacho-Kommissar aus dem TV: 110 meist rasch verstreichende Minuten mit vielen alten Witzen und sehr vielen bekannten Mimen.

Was wäre das Leben ohne Serien? Produzenten bringen damit ihre Vermarktungskosten herein. Die Fans sehen ihre Lieblingshelden, immer und immer wieder. „Kottan ermittelt“, Kult-Krimi auf den Spuren des „Dritten Mannes“, erfreute und erregte von 1976-1983 die Fernsehzuschauer in ähnlicher Weise wie „Mundl“. Der Erz-Prolet und der Polizei-Major sind Formate der österreichischen Seele, wie sie sich, literarischer, in Geschichten à la „Alpensaga“ von Peter Turrini und Wilhelm Pevny manifestierte – sie entstanden ebenfalls in den Siebzigern. Kontroversielle oder kurz gesagt bissige Heimatbetrachtung erlebte einen Höhenflug, der bis heute anhält. Das Publikum empörte sich über den schwarzen Humor des „Kottan“ – der österreichische Krimi-Autoren seither beeinflusst. Wie groß die Erregung war, die sich hier entzündete, lässt sich auf der „Kottan“-Homepage nachlesen. In der Folge war es genau die dunkle Drastik, die begeisterte.

Peter Patzak, der bereits die TV-Serie drehte, ist auch der Regisseur des nunmehrigen „Kottan“-Films, mit dem an James Bond erinnernden Titel „Rien ne va plus“. Der suspendierte Polizei-Major Kottan muss wieder arbeiten, obwohl er lieber bei seiner Band bleiben möchte. Es geht um ein lebensgefährliches Pyramidenspiel. Teilnehmer können nicht nur Geld gewinnen – und verlieren –, sie müssen auch ihre Mitspieler töten. Der Fall ist seinerseits Munition: für den Machtkampf zwischen dem Polizeipräsidenten Heribert Pilch und dem undurchsichtigen Polizei-Generalmajor Kurt Hofbauer.

Jan Zenker, Sohn von „Kottan“-Erfinder Helmut Zenker, schrieb das Drehbuch nach einer Idee seines Vaters (1949-2003). Es gibt einige Neubesetzungen; z. B. spielt Udo Samel statt des verstorbenen Kurt Weinzierl – sehr nestroyisch grotesk – den Polizei-Präsidenten und Johannes Krisch statt des ebenfalls verstorbenen Walter Davy den Dezernatsleiter Paul Schremser. Krisch ist fulminant! Wie dieser Schremser trotz Krücke und ungepflegtem Äußeren, trotz Medikamentensucht und schroffem Wesen die Frauen beeindruckt, wie er meistens fast alles besser weiß, das ist schlichtweg wunderbar.

Das zweite Wunderbare an diesem Film ist seine Rasanz. Ein Zitat aus Hollywood und von anderswo folgt auf das andere. Krimi-Cineasten werden ihren Spaß haben, Kottan-Fans sowieso. Es gibt nur wenige Hänger, aber einigermaßen viele uralte Witze: Kärntner sind wie Punschkrapferl, außen rosa, innen braun. Hier wird das auf die Österreicher als Ganzes übertragen, damit die deutschen Seher, falls es welche gibt, auch ihre Freude haben. Auffallend kalkuliert sind die Schauplätze. Viel prächtige Altwiener Bausubstanz – der Polizeipräsident residiert gar in Schloss Schönbrunn – ist zu sehen; man kann gar nicht genug tun für den Wien-Tourismus. Es wird nicht leicht sein, österreichische Schauspieler zu finden, die in diesem Film nicht mitwirken.

Automaten statt Polizisten

Lukas Resetarits ist ein in die Jahre gekommener Kottan, Bibiana Zeller als seine Frau könnte zwar seine Mutter sein, entzückt aber immer von Neuem mit ihrer zarten Komik. Mavie Hörbiger bringt als bildhübsche Kriminelle einen Hauch der großen Filmwelt in dieses ansonsten höchstens bemüht weltläufige Spektakel. Auch Cornelius Obonya brilliert als Unterweltler. Erni Mangold (Mutter Ziwoda), Karl Ferdinand Kratzl (Johann Ziwoda), Hanno Pöschl (Drballa) spielen sich in bewährter Weise selbst. Erich Schleyer zeichnet gewohnt elegant einen zwielichtigen Ex-Banker.

Vom alten „Kottan“ sind surreale Sequenzen übernommen, sie wirken aber viel weniger originell und witzig als früher. Sogar Fantasy wird erprobt: Der Polizeipräsident will das Personal durch einen Automaten ersetzen, aus dem er selbst die Sicherheitslage überwacht. Doch die Maschinen machen noch mehr Blödsinn als die Polizisten. Zum Finale gibt es ein letztes rasantes Effekte-Feuer und: Die Hauptschuldige verabschiedet sich mit Martial Arts. „Dafür bin i zu alt“, brummt Kottan. Er wäre auch nicht zurück gekommen, hätte ihm nicht die Bank die Zinsen für sein geliebtes Häuschen an der Donau plötzlich drastisch erhöht.

Auch Chris Lohner ist ein Opfer der Krise. Die Ex-Fernseh-Sprecherin, bereits im TV-Kottan ein Running Gag, verlor ihren ORF-Job und dient nun als Polizistin. Manche Pointen sind allzu banal. Insgesamt: Ein Profi hat einen alten Erfolg aufpoliert. Ob der heimische Krimi noch einmal eine ästhetische Revolution erleben wird? Werden die Produzenten so was überhaupt finanzieren? Oder bleibt man beim so erfolgreichen (Gegenheimat)-Heimat-Genre, das keinen mehr aufregt, weil inzwischen bekannt ist, dass es sich um Satire handelt. Am Ende sitzen wieder alle an der Donau, und die „Musi“ spielt dazu. Somit dürfte einem weiteren „Kottan“ nichts im Wege stehen – wie beim „Mundl“. Recycling statt Innovation, Hollywood macht es auch oft nicht anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2010)

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