Geschichte II

Habsburgermonarchie als katholische Groß- und Schutzmacht

„Österreichs friedlicher Kreuzzug“ markierte im 19. Jahrhundert eine Epoche, in der sich die Habsburger in Palästina engagierten. Jerusalem galt damals als religiöser Sehnsuchtsort des Herrscherhauses ebenso wie der Bevölkerung.

Hunderte Pilger suchen Jahr für Jahr das Anwesen in der Via Dolorosa in Jerusalem auf, für offizielle österreichische Delegationen ist das Hospiz ein selbstverständlich eingeplanter Besuchstermin. Der 1863 gegründete Stützpunkt ist das älteste nationale Pilgerhaus im Heiligen Land und symbolisierte, wie die Historikerin Barbara Haider-Wilson den Hospiz-Forscher Helmut Wohnout zitiert, „den Großmachtanspruch der Habsburgermonarchie in der Levante“.

Europa und das Heilige Land haben auch in der Neuzeit eine verflochtene Geschichte. „Ab den 1830er-Jahren kann in Europa eine Art Kreuzzugsstimmung beobachtet werden“, sagt Haider-Wilson und betont im selben Atemzug: „Eine friedliche Kreuzzugsstimmung.“ Die Historikerin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sieht das im Besonderen auch für die Habsburgermonarchie, die sich in diesem Jahrhundert als katholische Groß- und Schutzmacht verstanden hätte. In der späten Habsburger-Historiografie konzentrierten sich die Forschungen auf die innere Entwicklung des Reiches und die Außenpolitik, dabei, so Haider-Wilson, „kommen die kleinen, schillernden Themen oft zu kurz“.

Erst kamen die Pilger

Mit ihrem umfangreichen Kompendium „Österreichs friedlicher Kreuzzug 1839–1917“ richtet die ÖAW-Historikerin den Fokus auf ein solches Nischenthema. „Für mich überraschend waren der Stellenwert, den die heiligen Stätten für die Bevölkerung in Österreich im 19. Jahrhundert hatten, und die Vielzahl der Akteure.“ Vorerst brachen Einzelreisende und Pilgergruppen nach Jerusalem auf, dann folgten große Volkswallfahrten ins Heilige Land. Barbara Haider-Wilson beginnt ihre detaillierten Ausführungen mit dem Jahr 1837. In dem Jahr hat Josef Salzbacher, Professor für biblische Studien am Priesterseminar St. Pölten, eine Reise nach Rom und Jerusalem unternommen und anschließend seine zweibändigen Erinnerungen veröffentlicht. Salzbacher knüpfte Kontakte zu Staatskanzler Metternich, der sich an dieser Region interessiert zeigte. Österreich befand sich im Krieg 1840/41 in einer diplomatischen Allianz, die ein von Frankreich unterstütztes ägyptisches Heer aus Syrien und Palästina vertrieb und diese Gebiete wieder für das (schwache) Osmanische Reich sicherte.

England, Russland, Österreich und Preußen wollten das Osmanische Reich, das schon damals als „der kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet wurde, im Sinne der bestehenden Friedensordnung erhalten. Eine besondere Rolle habe der junge Erzherzog Friedrich, der Sohn des Siegers von Aspern (Erzherzog Karl besiegte 1809 Napoleon), gespielt, führt Haider-Wilson aus. Er war maßgeblich an der Eroberung von Akkos beteiligt, wo schließlich die osmanische, österreichische und britische Flagge gehisst wurden. Und dies erinnerte an den dritten Kreuzzug, bei dem der Babenbergerherzog Leopold V. 1191 in der eroberten Stadt (damals: „Akkon“) seine Fahne gehisst hatte und es zur Konfrontation mit dem englischen König Richard Löwenherz gekommen war.

Wettlauf der Mächte

Für Metternich war es die letzte große außenpolitische Aktion. Die europäischen Mächte führten diesen Krieg in der Levante im eigenen territorialen Interesse. Einige Jahre nach 1840/41 gab es Pläne zur Internationalisierung Jerusalems und auch ganz Palästinas, allerdings konnten sich die Großmächte nicht zu einer Einigung durchringen.

Der „orientalische Krieg“ war Zeichen eines zunehmenden Wettlaufs der europäischen Mächte in dieser Region. Ab 1842/43 erneuerten die Habsburger die Unterstützung der alteingesessenen Institution der Franziskaner in Jerusalem, in Wien war das 1843 geschaffene Generalkommissariat des Heiligen Landes aktiv, und für Jerusalem wurde 1846 ein Konsularposten geschaffen. Freilich waren in Jerusalem bereits englische, preußische und sardinische Vertretungen eingerichtet.

Im 19. Jahrhundert sah die Bevölkerung Jerusalem als ihren religiösen Sehnsuchtsort. Parallel dazu skizziert Barbara Haider-Wilson das europäische Ringen um Einfluss in der Region. 1898 präsentierte sich auch der protestantische deutsche Kaiser Wilhelm II. als „Schutzherr der deutschen Katholiken“. Die Ära der Habsburger (und anderer europäischer Mächte) lief knapp vor dem Ende des Ersten Weltkriegs aus. 1917 besiegten die Engländer in der Schlacht von Jerusalem osmanische und deutsche Truppen. Palästina wurde britisches Mandatsgebiet.

B. Haider-Wilson
„Österreichs friedlicher Kreuzzug 1839–1917“
Verlag der ÖAW
871 Seiten, 79 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.