Bibliothekswesen

Vom Bibliothekar zum Data Steward

Auch in den Bibliotheken liegt das Augenmerk zunehmend auf digitalen Angeboten.
Auch in den Bibliotheken liegt das Augenmerk zunehmend auf digitalen Angeboten.ULB Tirol
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1358 öffentliche Bibliotheken gibt es in Österreich. Vom reinen Buchverleih haben sie sich zu Knotenpunkten der Informationsvermittlung entwickelt.

Das verstaubt anmutende Berufsbild von Bibliothekaren gewinnt an zeitgenössischem Profil: „Das Aufgabenspektrum und damit das Serviceangebot von Bibliotheken hat sich in den letzten Jahrzehnten ganz massiv geändert. Der Digital Turn hat zusätzlich zu veränderten Aufgabenstellungen geführt und die Entwicklung neuer Tätigkeitsfelder beschleunigt“, sagt Maria Seissl, Leiterin der Universitätsbibliothek Wien. Der Medienverleih stagniere, berichtet Reinhard Ehgartner, Geschäftsführer des Österreichischen Bibliothekswerks: „Öffentliche Bibliotheken bieten immer stärker Vermittlungsformate und Begegnungen, übernehmen sozialintegrative Aufgaben, machen enorm viel auf dem Gebiet der Lesefrühförderung, haben digitale Angebote und verstehen sich als regionale Kulturknotenpunkte.“ Für diese Aufgaben werden Interessierte in Österreich einheitlich ausgebildet.

Lehre oder Uni-Lehrgang

Mit dem Pflichtschulabschluss beginnt man eine Lehre zum Archiv-, Bibliotheks- und Informationsexperten und schließt dann einen Ausbildungslehrgang mittlerer Qualifikation in wissenschaftlichen Bibliotheken, Informations- und Dokumentationseinrichtungen an. Er umfasst sechs Wochen Blockunterricht, 20 Tage Praktikum in Abteilungen der eigenen oder der Ausbildungsbibliothek plus acht Tage Praktikum an einer externen Bibliothek oder Informationseinrichtung. Mit der Reifeprüfung steht auch der Berufsweg zum Bibliothekar über den Universitätslehrgang Library and Information Studies offen. Dieser wird an den Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck angeboten. „Der Bogen der Arbeitsbereiche einer Bibliothek spannt sich vom Umgang mit historischen Handschriften bis hin zu digitalen Angeboten. Deshalb wird das Curriculum des Universitätslehrgangs in regelmäßigen Abständen an die neuen Anforderungen angepasst“, sagt Monika Schneider-Jakob, Ausbildungsverantwortliche an der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol.

Der Lehrgang zur akademischen Bibliotheks- und Informationsexpertin dauert zwei Vollzeit- oder drei berufsbegleitende Semester und inkludiert siebeneinhalb Wochen Berufspraxis. Die Themen reichen von Bibliotheks- und Bestandsmanagement über Informationstechnologie bis hin zu Vermittlungskompetenz. Wer diesen abgeschlossen hat und ein Hochschulstudium vorweisen kann, kann den Masterstudiengang Library and Information Studies anschließen. Auch er wird an den Unis in Graz, Wien und Innsbruck angeboten. In drei berufsbegleitenden Semestern befassen sich die Studierenden mit den Themenkomplexen „Strategie und Management“ sowie „Wissensproduktion und Bibliothek“. Und man kann sich im Rahmen von Wahlmodulen spezialisieren. Zur Auswahl stehen etwa an der Universität Wien Bibliotheksarchitektur, Innovations- und Changemanagement in Bibliotheken sowie „Bibliometrie und Szientometrie“. Bei Letzterem lernen die Studierenden, bibliometrische Analysen durchzuführen. Dabei werden beispielsweise Ranglisten erstellt, in denen ablesbar ist, welche Wissenschaftler oder Universitäten wie viele Aufsätze in einem Jahr publizieren. Promovieren kann man im Fach Bibliothekswesen nicht.

Spezialisierte Weiterbildung

Im Rahmen der bibliothekarischen Weiterbildung werden aber sowohl Seminare als auch Universitäts- beziehungsweise Zertifikatskurse angeboten. „Zum Kerngeschäft Einkauf, Erschließung und Bereitstellung von Medien sowohl in Printform als auch digital und wissenschaftliche Recherche und Informationsvermittlung kommen nunmehr Services, die neue Anforderungen in Lehre und Forschung unterstützen, beispielsweise Transformation des Publikationsprozesses von Closed zu Open Access sowie das Management von Forschungsdaten, Forschungsdokumentation und Bibliometrie“, erklärt Pamela Stückler, Leiterin der Universitätsbibliothek Graz. Daher reicht das Angebot von Augmented Reality in Bibliotheken über Metadatenmanagement bis hin zum Umgang mit historischem Buchgut. Im Oktober startet an der Uni Wien der Zertifikatskurs Data Steward. Diese arbeiten an der Schnittstelle zwischen Forschung und Forschungsinfrastruktur und üben somit eine Brückenfunktion aus. Das neue Weiterbildungsprogramm verknüpft aktuelle Erkenntnisse zu Forschungsdatenmanagement, Open Science und Open Research mit den Aufgaben von Data Stewards. Stückler: „Es hat sich gezeigt, dass man über den Tellerrand der bibliotheksspezifischen Ausbildungen schauen muss, da für die neuen Aufgaben auch andere Qualifikationen gebraucht werden, die nicht zwingend von einer bibliothekarischen Ausbildung abgedeckt werden können.“

Web:
www.bibliotheksausbildung.at

www.postgraduate.univie.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2022)

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