Geschmacksfrage

Gut, Böse und Paris

Fast wie Paris: Das Dots-Restaurant im neuen Leo-Grand-Hotel.
Fast wie Paris: Das Dots-Restaurant im neuen Leo-Grand-Hotel.beigestellt
  • Drucken

Herr Ho kocht im barocken Ambiente und bringt ein Stück Hotel Costes von Paris nach Wien.

Die Welt kennt nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Die der Restaurant­kritiker bietet da keine Ausnahme. Im Gegenteil. Wenn da etwa der sympathische Spross einer Gastronomen-Dynastie mit Bart, Tattoo, Schmäh und fröhlichen ­jungen wilden Freunden in einem Keller-Pop-up Moos und auf der benachbarten Wiese gezupften Löwenzahn vom Erdstängel bis zur Blüte brät, tanzen die Kritiker in der Kopenhagen-Polonaise um den Block. Wenn hingegen Gastronom und Clubbetreiber Martin Ho mit dunkel-türkisem Ruf ein neues Restaurant eröffnet, sind die Verrisse schon vorgeschrieben.

Und wenn er das noch in Kooperation mit einem Immobilienentwickler wie Martin Lenikus wagt, könnte das zu zusätzlicher Schnappatmung führen. Als Sahnehäubchen für das Kritik-Dessert serviert Ho der veröffentlichten Lokalrezension auch noch die Preisliste per Pressemeldung vorab: „Das New York Strip kommt im Rossini-Style mit Gänseleber, schwarzer Trüffel, Erdäpfeln und Brokkoli (49 Euro), die Udon-Nudeln mit Champagner-Crème, Onsen-Ei, Mangold und Topinambur-Crisp (19 Euro). Das Wagyu Miyazaki beeindruckt mit Sardellen, eingelegten Gurken und Black Pepper Oyster Sauce (125  Euro). Wer gern teilt, kann sich gemeinsam das mit Honig glacierte gebratene Hühnchen mit Sriracha-Aioli (75  Euro), Hot Szechuan Catfish mit Melanzani und Frühlingszwiebeln (60 Euro) oder Côte de Bœuf mit Sauce Béarnaise (95 Euro) schmecken lassen.“ Die ersten Kollegen erwägen dem Vernehmen nach den Dienst an der Waffe.

Die Preisliste kam per Pressemeldung vorab.
Die Preisliste kam per Pressemeldung vorab.beigestellt

Aber wir lassen uns nicht provozieren und halten fest: Das derzeit im Innenhof des Barock-Vierkanters, des neuen Leo Grand-Hotels, befindliche Dots-Restaurant beamt Gästin und Gast nach Paris. Inszenierung inklusive DJ, viel lächelndes Personal und internationale Gäste aus dem Nahen und noch näheren Osten erinnern an einen Abend im Hotel Costes in Paris. Die Küche bemüht sich auch sonst um Frankophilie, das genannte Rossini-Stück punktet mit großartigem Retrocharme, mollig, dicht und ziemlich dekadent. Sehr solide ist die Sushi-Auswahl, die Fischqualität hält internationales Niveau.

Wirklich empfehlenswert sind wie in vielen asiatisch angehauchten Szenelokalen die Vorspeisen: Das Beef Tatar mit Sanddorn ist wirklich gut mit der feinen Säurefrucht, das Hamachi Carpaccio mit Chili-Ponzu und Kaviar sei gepriesen. Warum der Marillenknödel ­Aprikosen-Dumpling heißt, weiß ich nicht. Vielleicht weil er speckig ist, was manche wie ich mögen. Der Homepage von Herrn Ho entnehme ich, dass er sein Wiener ­Gastro-Imperium auf Weltstädte wie Dubai ausdehnen wird. Im Wiener Barock übt er preislich und durchaus auch qualitativ offenbar dafür.

Info

Dots at the Leo Grand, Bauernmarkt 1,

1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/906 06 90,
Restaurant: täglich: 7–2 Uhr.

("Die Presse Schaufenster" vom 17.06.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.