Soziologie

Akademikerkinder profitieren

Bildungsvererbung wird auch beim späteren Umstieg auf eine „maturaführende Schule“ nach der Mittelschule fortgesetzt.

Das österreichische Schulsystem bevorzugt Kinder mit akademisch gebildeten Eltern – und zwar nicht nur beim Umstieg nach der Volksschule, sondern auch bei der später möglichen Korrektur des eingeschlagenen Bildungsweges. Das zeigt eine seit fünf Jahren laufende Längsschnittstudie an der Universität Wien, die am Donnerstag präsentiert wurde.

Die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn Jahren auf zwei verschiedene Bildungswege – Mittelschule oder allgemeinbildende höhere Schule, sprich (Real-)Gymnasium – ist im internationalen Vergleich sehr früh, wie die Studienautoren Ona Valls Casas und Jörg Flecker feststellen. Das begünstige nicht nur Kinder aus Akademikerhaushalten, sondern auch Kinder von Eltern ohne Migrationsgeschichte sowie Mädchen generell. Sie können zudem eher anspruchsvollere Bildungswege beschreiten und das Risiko des Scheiterns in Kauf nehmen.

Durchlässig, aber nicht für alle

Für Mittelschulen in Wien ist es zunächst eine gute Nachricht, dass 42 Prozent ihrer Absolventen und Absolventinnen drei Jahre nach dem Abschluss noch eine Schule mit Matura besuchen. In den meisten Fällen ist das eine berufsbildende höhere Schule (z. B. HAK oder HTL). In der Befragungswelle 2021 machte diese Gruppe 31 Prozent der ehemaligen Mittelschüler aus, gefolgt von der Gruppe der Lehrlinge (29 Prozent), den Schülern von BMS (berufsbildenden mittleren Schulen) mit 20 Prozent und den AHS-Schülern (elf Prozent). Insgesamt wurden Daten von 1141 Befragten ausgewertet.

Die Erhebungen von Valls Casas und Flecker verdeutlichen also, dass das Bildungssystem insofern durchlässig ist, als man sich auch später für einen anderen Weg entscheiden kann. Dies nützt jedoch hauptsächlich jenen Schülern, die nicht die AHS-Unterstufe besucht haben und deren Eltern hohe Bildungsabschlüsse aufweisen. Gute Mathematiknoten begünstigen den Wechsel an eine „maturaführende Schule“ am stärksten, gefolgt von Englisch und Deutsch. Doch selbst bei gleichen Schulnoten haben Kinder von Akademikern deutlich größere Chancen, nach der Mittelschule in eine AHS zu gehen als andere.

Berücksichtigt man die Noten, haben übrigens Burschen und Jugendliche, die im Ausland geboren sind, ein höheres Risiko, die Schule abzubrechen. Die Wirkung des Bildungsniveaus der Eltern ist hier nicht mehr signifikant. (cog)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2022)

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