Trentino

Eisplatte löste sich in den Dolomiten: Sechs Tote und 15 Vermisste

NATIONALE ALPINE RETTUNGSEINKEIT
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Entlang der Aufstiegsroute zum Marmolata-Gipfel riss eine abgebrochene Eisplatte mehrere Menschen in den Tod. Die Suchaktion musste aufgrund hoher Lawinengefahr mit Drohnen fortgesetzt werden.

Auf der Marmolata in der norditalienischen Region Trentino ist am Sonntag eine große Eisplatte abgebrochen und hat sechs Menschen mit in Tod gerissen. Zudem gibt es 15 Vermisste, acht Menschen wurden verletzt geborgen. Die Eisplatte löste sich laut Bergrettungsdienst in der Nähe von Punta Rocca, entlang der Aufstiegsroute zum Marmolata-Gipfel. Dabei wurde auch der normale Aufstiegsweg auf den 3343 Meter hohen Berg getroffen, auf dem sich mehrere Seilschaften befanden.

Zwei davon wurden von der Eisplatte mitgerissen. Angesichts akuter Lawinengefahr musste die Suchaktion mit Drohnen fortgesetzt werden. Die italienische Alpinrettung richtete eine Telefonnummer ein, um Angehörigen von Vermissten zu erlauben, sich mit den Rettern in Verbindung zu setzen.

"Wir sind vor Trauer über diese große Tragödie erschüttert. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien, aber natürlich auch bei den Rettungskräften, die auf der Marmolata im Einsatz sind", sagte der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher, der in ständigem Kontakt mit seinem Trentiner Amtskollegen Maurizio Fugatti steht. Die Provinz Bozen hat ihre Bereitschaft bekräftigt, Hilfe zu leisten.

Dutzende Menschen, die sich an Ort und Stelle befanden, wurden von Rettungseinheiten ins Tal gebracht. Ein Schwerverletzter wurde per Hubschrauber in das Krankenhaus der Stadt Treviso geflogen, zwei weitere wurden ins Spital von Belluno eingeliefert. Die anderen fünf Verletzten befinden sich im Krankenhaus von Treviso. Bei zwei Verletzten handelt es sich um zwei Ausländer. Genauere Angaben zur Staatsangehörigkeit der Todesopfer und der Verletzten gab es noch nicht.

Gefahr weiterhin groß

Die Gefahr weiterer Lawinen ist groß. Alle alpinen Rettungsstationen in der Region Trentino wurden aktiviert, fünf Hubschrauber und Dutzende von Rettungseinheiten seien auf dem Weg zum betroffene Gebiet. Die Suche nach Vermissten sei auch mithilfe von speziellen Geräten voll im Gange. Die Such- und Rettungskräfte mussten äußerst vorsichtig vorgehen, weil die Gefahr bestand, dass weitere Eis- und Felsstürze folgen könnten. Der Zugang zum Gletscher auf der Marmolata wurde nach dem Unglück gesperrt.

"Wir haben ein lautes Geräusch gehört, typisch für einen Bergsturz", sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur ANSA. "Danach sahen wir eine Lawine von Schnee und Eis in hoher Geschwindigkeit in Richtung Tal stürzen und wir wussten, dass etwas Schlimmes passiert ist."

Der Präsident des Trentino, Maurizio Fugatti, erreichte die Dolomiten-Ortschaft Canazei, wo eine Einsatzzentrale eingerichtet wurde. Am Samstag war auf der Marmolata ein Temperaturrekord von zehn Grad am Gipfel gemessen worden, die Durchschnittstemperatur der vergangenen Jahre lag etwa bei sieben Grad. Der Marmolata-Gletscher ist der größte Gletscher in den Dolomiten und befindet sich auf der Nordseite der Marmolatagruppe. Diese liegt in den Provinzen Trient und Belluno.

Gletscher durch Klimawandel nicht mehr im Gleichgewicht

"Der Klimawandel hat das Hochgebirge instabiler gemacht und die Gletscher sind nicht mehr im Gleichgewicht", erklärte der Glaziologe Massimo Frezzotti von der Universität "Roma Tre" gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. "Eisplatten sind das Ergebnis eines natürlichen Prozesses, aber wenn die Temperatur zu hoch wird, kann das Risiko eines Einsturzes steigen", erklärte Frezzotti. "Der Gefrierpunkt liegt viel höher als der des Gletschers. Es ist klar, dass es nicht ratsam ist, unter solchen Bedingungen zu wandern", so Experten.

Der frühere Extrembergsteiger Reinhold Messner sieht in dem Gletschersturz in den Dolomiten mit mehreren Toten eine deutliche Folge des Klimawandels und der Erderwärmung. "Diese fressen die Gletscher weg", sagte der 77-Jährige. Messner erinnerte daran, dass von Gletschern immer größere Gefahr ausgehe, denn wegen der ungewöhnlich warmen Temperaturen in diesen Zeiten werden sie immer instabiler. Just an den Abbruchkanten bilden sich dann sogenannte Eistürme - Seracs genannt - "die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen", erklärte Messner.

(APA/DPA)

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