Branchentalk

Wohlfühlen erhöht den Unternehmenserfolg

Am Branchentalk „Diversität und Inklusion“ in den Räumlichkeiten der „Presse“ nahmen teil: Anna Ganovszky, Senior Human Resources Partner bei der Wienerberger AG, Günther Weberndorfer, Managing  Director bei Accenture Österreich, und Martina Weinlinger, Vorstandsmitglied bei ABB.
Am Branchentalk „Diversität und Inklusion“ in den Räumlichkeiten der „Presse“ nahmen teil: Anna Ganovszky, Senior Human Resources Partner bei der Wienerberger AG, Günther Weberndorfer, Managing Director bei Accenture Österreich, und Martina Weinlinger, Vorstandsmitglied bei ABB. (c) Günther Peroutka
  • Drucken

Diskussionsrunde. Die Reise der Diversität und Inklusion startet in den Unternehmen mit der grundsätzlichen Awareness, muss dann aber auch in Umsetzung kommen, um einen Mehrwert zu erzielen.

Ohne Diversität ist ein Unternehmen heutzutage nicht mehr modern. Daher spielen Diversitätsstrategien eine wichtige Rolle. Im „Presse“-Branchentalk zum Thema „Diversität und Inklusion“ zeigten renommierte Firmen, wie sie die geforderte Vielfalt umsetzen und welchen Mehrwert sie daraus erzielen. „Presse“-Redakteur Michael Köttritsch begrüßte als Moderator der Gesprächsrunde Martina Weinlinger, Vorstandsmitglied bei ABB, Anna Ganovszky, Senior Human Resources Partner bei der Wienerberger AG, und Günther Weberndorfer, Managing Director bei Accenture Österreich. Zum Einstieg in die Diskussion wollte Köttritsch erfahren, ob Diversität ohne Inklusion überhaupt möglich sei. Nein, so der einstimmige Tenor der Diskutanten – die beiden Begriffe gehören untrennbar zusammen. Mit Diversität anerkennt man die Vielfalt der Menschen. Zu den wichtigsten Schwerpunkten gehören dabei Geschlecht, Alter, Ethnizität, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung sowie körperliche und seelische Gesundheit. „Ohne Inklusion ist eine Diversitätsstrategie zum Scheitern verurteilt“, sagte Martina Weinlinger. In einem ersten Schritt braucht es natürlich die Basis, überhaupt ein Bewusstsein für die Vielfalt der Menschheit zu haben, aber die Awareness alleine ist zu wenig. „Erst die Inklusion sorgt dafür, dass Diversität auch wirklich eingebunden wird.“

Losgetreten wurde der Diversitäts-Boom mit der Genderfrage. Auch heute ist die Geschlechtervielfalt einer der dominierenden Schwerpunkte. Die beiden anwesenden Frauen beim Branchentalk sind seit jeher mit diesem Thema konfrontiert. ABB-Vorständin Weinlinger bewegte sich immer schon in typischen Männerdomänen. Bereits vor ihren Eintritt beim führenden Anbieter von Industrierobotern war sie für das Stahlbauunternehmen Waagner Biro als Leiterin der Personalabteilung tätig. „Ich war immer eine Frau unter vielen Männern im HR-Bereich und auch die erste weibliche Führungskraft bei ABB, die in Elternteilzeit ging.“ Weinlinger sieht es als ihre Mission, als Vorbild zu fungieren, um zu zeigen, dass es möglich ist, auch in Führungsposition ein Kind zu bekommen und Beruf und Karriere unter einen Hut zu kriegen.

Multikulti Gemeinschaft

Auch Anna Ganovszky kennt die Situation, als Frau in Männerdomänen vorzudringen. Die gebürtige Australierin ging 1996 nach London. Die Liebe führte sie nach Österreich. Hier war sie u. a. für die Webster University, die australische Botschaft und Borealis tätig, ehe sie beim Ziegelspezialisten Wienerberger anheuerte. Insofern kann die gelernte Krankenschwester gut von den weiteren Schwerpunkten berichten, die in die Diversitätsstrategie einfließen: Internationalität und Kulturvielfalt. „In globalen Unternehmen ist es selbstverständlich, dass Menschen aus unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen zusammenarbeiten. Diversität und Inklusion bilden hier die Voraussetzung, dass sich die einzelnen Mitarbeiter in einem Betrieb wohl und sicher fühlen“, sagte Ganovszky. Wienerberger betreibt über 200 Fabriken in 28 Ländern. „Uns ist es wichtig, dass unsere Werte im gesamten Konzern gelebt werden können: Vertrauen, Kreativität, Leidenschaft, Respekt. Und das gelingt durch Inklusion.“ Fühlt sich jeder wohl, wirkt sich das automatisch positiv auf den Unternehmenserfolg aus – etwa durch weniger Krankenstandstage, motivierte Teams usw. „Jede Firma hat Werte, die den Sinn und Zweck eines Unternehmens unterstreichen. Diesen Purpose vollbringt man nur, indem man die Werte in die Strategie einführt“, meinte Ganovszky.

Beim Beratungs-Unternehmen Accenture Österreich geht man sogar noch einen Schritt weiter und benennt das Konzept: „Inclusion starts with I“. Hier rückt man von der Segmentierung in Alter/Geschlecht/Nationalität ab und konzentriert sich auf das Individuum. „Was braucht der Einzelne, um sich wohlzufühlen und das Beste zur Arbeit mitzubringen“, sagte Weberndorfer. Er ist seit 16 Jahren bei Accenture Österreich Managing Director im Bereich Technology und dort verantwortlich für die Ablieferung der Projekte bei Medien und Telekommunikationsunternehmen im deutschsprachigen Raum. „Wir sind weltweit rund 700.000 Mitarbeiter und das braucht eine Kultur der Kulturen. Wir lösen für unsere Kunden komplexeste Probleme. Das bedeutet, dass unsere Mitarbeiter effizient miteinander arbeiten müssen. Cultur of Cultures hilft uns dabei, einerseits die Teams zusammenzuführen, andererseits aber auch effektiv zusammenarbeiten zu lassen.“ Ursprünglich ist der Consulting-Experte gelernter Biochemiker und fand erst über Umwege zur Beratung, ist jedoch dadurch seit jeher gewöhnt, in diversen und multidisziplinären Teams zusammenzuarbeiten.
Auch bei ABB erhöht sich der Erfolgsfaktor durch die gesteigerte Internationalität, die Teams offener und weitsichtiger macht. Alleine in Österreich beschäftigt ABB 300 Mitarbeiter und davon Personen aus mehr als 20 Nationalitäten. „Wir spüren, dass der kulturelle Austausch mit einer Sensibilisierung einhergeht und die Neugier steigt, miteinander zu arbeiten. Das führt zu einem guten Klima und erhöhter Loyalität“, bestätigte Weinlinger.

Feinfühlig werden

Einstimmigkeit auch: Diversität und Inklusion muss von ganz oben gesteuert werden. Mit Engagement. Damit einzelne Themen der Diversität sichtbar werden, bedarf es Feinfühligkeit. Unternehmer müssen ihre Teams beobachten und Bedürfnisse erkennen. „Etwa beim Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung“, sagte Weberndorfer. Accenture beschäftigte sich in den letzten zwei Jahren intensiv mit dem Thema Menschen mit Behinderung. Um hier voranzukommen, wandte man sich an einen Partner – das Social Enterprise „myAbility“. Daraus entwickelten sich Trainings für Mitarbeiter, spezifisch für die HR-Abteilung, um zu wissen, worauf man z. B. bei der Stellenausschreibung achtgeben soll. Bis hin zu Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um Menschen mit Behinderung zu integrieren (z. B. bauliche Maßnahmen, Lesegeräte usw.). Der optimale Weg: Diversität von Anfang an mitzudenken und nicht erst hinterher Adaptionen vorzunehmen.
Besonders positiv ist für Weberndorfer jedoch: „Dass wir feststellten, dass wir schon zuvor Menschen mit Einschränkungen in unseren Teams hatten, die aber ihre Handicaps versteckten und nun durch unser Engagement Vertrauen gefasst haben und mit ihren Defiziten offen umgehen können. Das ist für Betroffene ein Gewinn an Lebensqualität.“

Kennzahlen unerlässlich

Diversität und Inklusion braucht Kennzahlen, sogenannte KPIs (Key-Performance-Indicator), damit dokumentiert werden kann, ob die unterschiedlichen Maßnahmen die Zielsetzungen erreichen. „Bei globalen Firmen gehören Diversitäts- und Inklusionsthemen zur Selbstverständlichkeit, aber viele Firmen benötigen noch Druck und hier sind KPIs die effektivste Methode“, sagte Ganovszky. Berater Weberndorfer stimmte ihr zu: „Mit Kennzahlen können wir steuern und wissen, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen.“ Accenture hat sich selbst solche Ziele gesteckt: Bis 2025 soll die Männer- und Frauenquote im Unternehmen ausgeglichen sein. „Bei Themen wie Ausgleichszahlungen erzeugen Kennzahlen den notwendigen Druck auf Firmen, damit bei den unterschiedlichsten Themen Bewegung ins Spiel kommt und sich die Unternehmen damit auseinandersetzen. Etwa bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.“ KPIs auf Managementebene zu definieren und Zielwerte vorzugeben, ist einfach. Schwierig wird die Umsetzung. Kritisch sieht es der Berater allerdings, wenn Kennzahlen nur noch zum Selbstzweck werden. „Dann ist man nur noch der Anwalt der Zahlen und versucht krampfhaft die Zielvorgaben zu erreichen, ohne den dahinterliegenden Sinn zu verstehen“, sagte Weberndorfer.

ABB-Vorständin Weinlinger hofft, dass die unterschiedlichsten Diversitätsthemen eines Tages so sehr in Fleisch und Blut übergehen, dass es dafür keine Kennzahlen mehr bedarf. „Bis es soweit ist, wird es noch eine Zeit dauern“, ist sie sich bewusst. „Aber wir sind auf einem guten Weg und die verschriftlichten KPIs sorgen dafür, dass die Themen in unser Bewusstsein gelangen.“ Bei ABB schreiben die KPIs u. a. vor, bis 2030 mindestens 25 Prozent Frauen in Führungsebene zu beschäftigen.
Ein Problem ist, dass in den unterschiedlichen Ländern und Kulturen auch andere Vorgaben existieren. Das macht eine länderübergreifende Diversitätsstrategie und globale KPIs häufig schwierig. Ganovszky berichtete zum Beispiel, dass es in manchen Ländern nicht erlaubt ist, das Alter der Mitarbeiter zu dokumentieren. Klar ist auch, dass sich nicht alle Diversitätsmaßnahmen messen lassen. Während die Frauenquote statistisch einwandfrei feststellbar ist, kann zum Beispiel die Gefühlsebene nur interpretiert werden. Insgesamt berichteten die Experten, dass sie durch gelebte Diversität eine gesteigerte Performance wahrnehmen.

Information

Der Talk fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von ABB, Accenture Österreich und Wienerberger AG.


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.