Biografien

Wie gelingt in Österreich eine politische Karriere?

Bundeskanzler Karl Nehammer hat seine politischen Wurzeln im ÖAAB
Bundeskanzler Karl Nehammer hat seine politischen Wurzeln im ÖAAB (c) APA/EXPA/JFK
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Soziologen und Studierende aus der Steiermark untersuchen den Werdegang von Politikern mithilfe der Bioinformatik. Ein Ergebnis: Die Rekrutierungssysteme haben sich binnen 70 Jahren kaum verändert.

Wie sieht die typische Karriere von Spitzenpolitikern in Österreich aus, was sind die charakteristischen Stationen auf dem Weg in den Nationalrat, und wie haben sich die Laufbahnen seit 1950 verändert? Soziologen und Studierende an der Universität Graz versuchen diese Frage mit einem Verfahren aus der Bioinformatik - der Sequenzanalyse - zu beantworten. Demnach haben sich die Rekrutierungssysteme in den vergangenen 70 Jahren kaum verändert.

Sicherlich spielen am Weg zu einer Spitzenposition in der Politik viele Faktoren eine Rolle - manchmal muss man auch einfach nur zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort bzw. in der richtigen Region sein. Der Grazer Soziologe Philipp Korom beschäftigt sich in seinem Projekt "Nationale und lokale politische Eliten in Österreich", das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützt wird, mit der Rolle von Laufbahnstationen österreichischer Politikerinnen und Politikern seit 1950. Am Institut für Soziologie betreibt der studierte Soziologe und Psychologe Uni Graz bereits seit einigen Jahren Forschung zu den Eliten in Österreich.

Bünde, Verbände, Gewerkschaften, Kammern

Politikerlaufbahnen in Österreich zeichnen sich durch vielfältige institutionelle Anbindungen aus. Typisch sind etwa Mitgliedschaften in Bünden und Verbänden, aber auch in Gewerkschaften und Kammern. Um zu verstehen, wie sich etwa die Rekrutierung von Parlamentariern im Laufe der Zeit verändert hat, analysiert das Team u. a. die Karriereprofile von mehr als 1.500 Mitgliedern des österreichischen Nationalrates zwischen 1950 und 2019, teilte der Wissenschaftsfonds am Montag mit. Die Karrieren der Volksvertreter werden dabei mittels Sequenzanalyse untersucht. Das computergestützte Verfahren stammt ursprünglich aus der Molekularbiologie und wird zur Entschlüsselung genetischer Muster eingesetzt.

Während in der Genforschung die DNA-Sequenzanalyse zur schnellen Auffindung von Mustern in Protein- und DNA-Sequenzen angewendet werden, stehen im konkreten soziologischen Fall Muster auf der Karriereleiter der Politik im Vordergrund. Eine Sequenz bildet den gesamten beruflichen Lebenslauf eines Politikers als Folge verschiedenere Berufsstadien ab, die jeweils über eine bestimmte Zeit andauern. So sollen die Lebensläufe der Politiker und Politikerinnen im Zeitverlauf, samt Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Veränderungen erfasst werden. Mithilfe von Abgleichungs-Verfahren wollen die Wissenschafter Überschneidungen in den Karriereverläufen finden, Cluster bilden und schließlich Typologien typischer Karrieren erstellen: "Wir schauen uns also nicht nur an, ob zwei Politiker idente Karrierekonstellationen hatten, sondern auch, ob sie diese zum selben Zeitpunkt im Leben hatten", erklärte Korom.

Parteiensystem verändert, Rekrutierungssystem kaum

Das Forschungsprojekt wurde 2019 am Institut für Soziologie gestartet und läuft noch bis 2023. Erste Ergebnisse seien bereits in Vorbereitung zur Publikation in Fachjournalen. "Das Interessante ist, dass sich die Rekrutierungssysteme im Verlauf der Zweiten Republik kaum verändert haben, obwohl sich das Parteiensystem verändert hat", hielt der Soziologe fest. Allerdings ist auch nicht alles beim Alten geblieben: Zu erkennen sei etwa seit den 1970er-Jahren eine abnehmende Rolle der Gewerkschaft als Rekrutierungspool für die SPÖ.

In der ÖVP hätten heute weniger Abgeordnete einen Bauernbund-Hintergrund. "Aber im Wesentlichen haben die Abgeordneten über den gesamten Zeitverlauf sehr ähnliche Biografien." In der ÖVP zeige sich beispielsweise die bündische Struktur, egal welchen Zeitverlauf man sich anschaue. Und auch für die Unterrepräsentation von Frauen im Nationalrat seien in den Daten bereits Erklärungsansätze zu finden. So habe sich gezeigt, dass der Sprung aus der Kommunalpolitik, etwa vom Bürgermeisteramt in den Nationalrat, eher Männern offensteht.

(APA)

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