Landtagswahl

Agrargemeinschaften werden vor Tirol-Wahl wieder Thema

Tirols Gemeindevertreter fordern die Rückübertragung von Liegenschaften, die mittlerweile an Agrargemeinschaften übertragen wurden. Erhebungen des Gemeindeverbandes zeigten Schäden für Gemeinden in Milliardenhöhe.

Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl lassen Gemeindevertreter die Causa Agrargemeinschaften - bis zur Verabschiedung des Agrargesetzes 2014 ein Dauerstreitthema - wieder aufflammen. Dabei geht es um Liegenschaftsvermögen, das vor vielen Jahren verfassungswidrig an Agrargemeinschaften verschoben worden sein soll. Erhebungen des Gemeindeverbandes zeigten nun, dass - entgegen allgemeiner Annahme - die Frage keineswegs gelöst sei. LHStv. Josef Geisler (ÖVP) hält dagegen.

Konkret forderten der Tiroler Gemeindeverband (GVV) und der Verein "Gemeindeland in Gemeindehand" bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag in Innsbruck die Rückübertragung des entzogenen Grundeigentums an die Gemeinden. Dies sei durch ein einfaches Landesgesetz möglich, lautete die klare politische Forderung der Vertreter. "Die Politik verharrt", kritisierte Vereinsvertreter Leonhard Steiger.

Land sieht Zuständigkeit beim Verfassungsgericht

Der zuständige Landesrat LHStv. Geisler, seines Zeichens auch Bauernbundobmann, ließ die Kritik nicht auf sich sitzen und verwies auf den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser habe das Thema "abschließend behandelt" und "eine Rückübertragung ausgeschlossen", erklärte der ÖVP-Politiker die erneut aufgeflammte Debatte gewissermaßen als beendet.

Der VfGH hatte die Eigentumsübertragung von Gemeindegut an Agrargemeinschaften bereits 1982 als rechtswidrig bezeichnet. Diese Ansicht fiel in Tirol aber zunächst nicht auf fruchtbaren Boden. Erst als die Gemeinde Mieders vor die Höchstrichter zog und der VfGH sein Erkenntnis von 1982 im Sommer 2008 bekräftigte, kam eine heftig geführte politische Debatte ins Rollen. "Bereits in seinem ersten Erkenntnis zu Mieders hat der VfGH eine Rückübertragung ausgeschlossen", erinnerte Geisler in seiner Stellungnahme. Die Gemeinden hätten "vollen Zugriff auf die Substanz und das Vermögen der Agrargemeinschaften". Zudem habe der VfGH 2010 erklärt, dass auch Gemeindeagrargemeinschaften gesetzlich verankert Eigentumsschutz genießen würden.

Die Gemeindevertreter waren anderer Meinung. Der entstandene Schaden sei enorm, unterstrich Werner Lux vom Verein Gemeindeland in Gemeindehand mit Verweis auf umfangreiche, systematische Erhebungen des GVV in den Jahren 2014 bis 2016. Diese Recherchen hätten die "Dimension des Grundstückraubs" verdeutlicht. Durch Regulierungsverfahren in den 1950er und 1960er Jahren wurde Gemeindegut an Agrargemeinschaften übertragen. Zwar unterlägen jene Regulierungen dem Amtsgeheimnis und seien deshalb nicht einsehbar, monierten Lux und Steiger. Für sie stehe jedoch fest: Große Teile des Liegenschaftsvermögens von 170 Tiroler Gemeinden - ein Milliardenvermögen - seien "im Auftrag der vom Bauernbund dominierten Tiroler Landespolitik" in den letzten 100 Jahren "entschädigungslos an rund 400 Agrargemeinschaften verschoben" worden. Ein Fünftel der Gesamtfläche des Bundeslandes seien betroffen.

Die Öffentlichkeit müsse über diese "skandalösen Zustände" informiert werden, so die beiden unisono. Der Verein habe die GVV-Recherchen und Hintergrundinformationen deshalb auf einer eigens dafür eingerichteten Website - www.agrarpapers.tirol - zur Verfügung gestellt. "Im Netz ist das gut aufgehoben - es kann nicht verschwinden und unterliegt nicht dem Amtsgeheimnis", kommentierte Steiger die Entscheidung. Dass der Zeitpunkt kurz vor der heißen Wahlkampfphase und der Landtagswahl am 25. September bewusst gewählt wurde, negierten die Vereinsvertreter.

Gemeindeverband sieht Fehler in der Landespolitik

Rückendeckung für die Forderungen kam indes von keinem Geringeren als Gemeindeverbandspräsidenten Ernst Schöpf (ÖVP). Auch er sah die Politik säumig: "Der letzte Schritt fehlt", kommentierte Schöpf - selbst kein Mitglied des Vereins, wie er vor Vertreterinnen und Vertretern der Presse betonte - die 2014 mit schwarz-grüner Mehrheit beschlossene Novelle zum Flurverfassungsgesetz (Agrargesetz). Das Gesetz hatte den Gemeinden in vollem Umfang den Zugriff und die Disposition über den Substanzwert - also jene Gewinne, die beispielsweise aus der Jagdpacht, Schottergruben, Autobahnraststätten oder dem Verkauf von Bauland stammen - eingeräumt.

"Begangene Fehler" seien dadurch aber nicht korrigiert worden, hielt Schöpf fest und plädierte ebenfalls für das einfache Landesgesetz, das die Rückübertragung regeln soll. "Unrecht wird nicht durch Zeitablauf Recht", man müsse die Causa "aktiv angehen". Mit seiner Forderung stelle er sich im Vorfeld der Wahl nicht gegen die ÖVP, betonte Schöpf, es gehe um "knallharte kommunale Interessen", die der Gemeindeverband vertrete. Die Faktenlage sei gegeben. Er sah in der ungelösten Agrarfrage einen "Auftrag an den dann sich neu zusammensetzenden Tiroler Landtag". Was - "jenseits der politischen Farbenlehre" - aber gar nicht gehe: "Dass man die Dinge schlicht und einfach verdrängt und dann den Leuten auch noch glaubhaft machen will, es sei alles in Butter", fand Schöpf klare Worte.

(APA)

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