Studienergebnisse

Covid-Pandemie verändert Sprachverarbeitung

Manche Worte werden seit Beginn der Pandemie überdurchschnittlich häufig genutzt.
Manche Worte werden seit Beginn der Pandemie überdurchschnittlich häufig genutzt. (c) Getty Images (Thomas Kronsteiner)
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Im Rahmen einer Studie wurden Wortlücken häufiger derart aufgefüllt, dass ein Pandemie-bezogenes Wort entstand. Das Forschungsteam rechnet mit einer langfristigen Veränderung des Sprachverständnisses.

Coronavirus, FFP2-Maske, Isolation, Eindämmungsmaßnahmen oder Contact Tracing - diese Worte hatten in den vergangenen Jahren unbestritten Hochkonjunktur. Der Begriff 3G wurde um ein Haar zum Wort des Jahres gekürt, wurde dann aber von dem des „Schattenkanzlers“ überholt. Der Titel „Unwort des Jahres“ galt der Bezeichnung Querdenker. Ein Ende des Höhenfluges der Pandemie-bezogenen Sprachgestaltung ist auch jetzt noch nicht in Sicht. Forschende aus den USA und Wien fanden nun in einer psychologischen Untersuchung Spuren der Covid-19-Pandemie im Sprachverständnis ebenso wie in der Sprachverarbeitung. Ihre Arbeit stellten sie kürzlich im Fachblatt „PLOS One“ vor.

Das Team ging in der Studie der Frage nach, inwieweit die neue Hochkonjunktur für sonst kaum gebräuchliche Wörter das Sprachsystem schon verändert hat. Geforscht haben Daniel Kleinman von den Haskins Laboratories, Adam Morgan von der New York University, Rachel Ostrand von IBM Research (alle aus den USA) und die an der Central European University (CEU) in Wien tätige Eva Wittenberg. Die Covid-Pandemie mit ihren großen Umwälzungen wirke dabei wie ein natürliches Experiment, heißt es vonseiten des Teams, dessen Wirkung anhand von fast 900 Teilnehmenden in einer Online-Studie analysierten.

Nachhaltige Veränderung

Dabei ging es darum, herauszufinden, ob so rasche Veränderungen in der Verwendung von Worten das Wortverständnis auch längerfristig beeinflussen. Über zehn Monate hinweg im Verlauf des ersten Pandemie-Jahres hörten die US-amerikanischen Versuchspersonen eine Reihe von Wörtern, die allerdings verändert wurden. So wurden einige Wortteile durch Rauschen oder Husten ersetzt. Da Menschen mit derartig undeutlicher Sprache im Alltag sehr oft konfrontiert sind, wird die fehlende Stelle im Gehirn sozusagen aufgefüllt. Das geschieht in der Regel mit jenem Laut, mit dem ein Zuhörer aus seinem lexikalischen Wissen heraus am ehesten rechnet.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen etwa das englische Wort „mask“ für „Maske“ als Ausgangspunkt. Dann wurde über mehrere Einzelstudien hinweg der erste Laut entweder durch Rauschen oder Husten ersetzt. Das resultierende „ask“ könnte in der Wahrnehmung ebenso gut mit einem „t“ aufgefüllt werden, und als „task“ - also „Aufgabe“ - verstanden werden. Gegenüber den Kontrollgruppen, die ein anderes, nicht Pandemie-bezogenes manipuliertes Wort hörten, das ebenso leicht auf verschiedene Arten interpretiert werden konnte, zeigte sich, dass es eine statistisch signifikante Verzerrung in Richtung „mask“ gab.

Neue Begriffe

Zusätzlich erhöht war die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein „mask“ wahrnahm, wenn der erste Laut durch Husten ersetzt wurde. Die Forschenden werten ihre Ergebnisse als Hinweise, „dass schnelle Veränderungen des sprachlichen Inputs zu Veränderungen in der Sprachverarbeitung führen können, die über viele Monate hinweg anhalten. Selbst wenn Covid morgen verschwände, würde unser Sprachsystem die Reaktion auf die Pandemie länger in sich tragen“, so Wittenberg in einer Aussendung der CEU. Das lege auch die Annahme nahe, dass Personen Sprachinhalte, die ihnen in der jüngeren Vergangenheit öfter unterkommen, durchaus auch höher gewichten können als langjährige Erfahrungen, schreibt das Team in ihrer Arbeit.

(APA/evdin)

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