Kritik

"Purple Hearts" auf Netflix: Die Feministin und der Patriot

(c) Netflix (Mark Fellman/Netflix)
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Eine Indie-Musikerin und ein Elite-Soldat: Kann das gut gehen? Die Kombination ergibt einen erstaunlich feinfühligen Liebesfilm.

Nicht den Trailer ansehen! Der verrät nämlich viel zu viel über „Purple Hearts“, und das auch noch in der falschen Reihenfolge. Kurz bevor er in den Irak geht, heiratet der Marine Luke (Nicholas Galitzine) die Musikerin Cassie (Sofia Carson) - aus finanziellen Gründen. Er braucht Geld, um Schulden aus seiner Drogenvergangenheit zu begleichen. Sie, um ihre Diabetes-Medikamente zu bezahlen. Obwohl sie sich eigentlich nicht leiden können, spielen sie ein Paar und bald wird aus der Täuschung Ernst.

Der Netflix-Liebesfilm, der vergangenen Freitag veröffentlicht wurde, vereint zwei etablierte Erzählmuster: „Stolz und Vorurteil“ trifft Tu-so-als-ob, aber mit einem Dreh.

Die forsche Indie-Musikerin Cassie trägt „The Future is Female“-Shirts und lässt sich vom patriotischen Elite-Soldaten nicht mansplainen. Sie hat nichts übrig für die Fantasien der durchtrainierten Männer, in einem fremden Land für westliche Ideale von Freiheit und Demokratie kämpfen zu wollen. Der immer etwas bedrückte Luke wiederum hält Cassie für ignorant und selbstgefällig.

Sie müssen sich im Lauf des gut zweistündigen Films aufeinander zubewegen. Vor allem Cassie muss sich die Frage stellen: Kann man feministisch und gleichzeitig patriotisch sein? Im „Land of the Free“ muss das freilich kein Widerspruch sein: Bald hängt von Cassies Balkon neben den Regenbogen- und Black-Lives-Matter-Flaggen auch die amerikanische.

Den Blockbuster vom Spitzenplatz verdrängt

„Purple Hearts“ ist ein Überraschungserfolg für Netflix: Im Streamingdienst-internen Top-10-Ranking hat die Romanze den aufwändigen Thriller „The Gray Man“ mit Ryan Gosling nach nur acht Tagen vom Spitzenplatz verdrängt, berichtet „Indie Wire“. Dabei haben die Beteiligten – im Gegensatz zu den „The Gray Man“- und „Avengers“-Regisseuren Joe und Anthony Russo – wenig Filmerfahrung.

(c) Netflix (Hopper Stone/Netflix)

Das Drehbuch zum Low-Budget-Liebesfilm stammt von Kyle Jarrow („Star Trek: Discovery“) und Liz W. Garcia („Cold Case“), Regie führte Regisseurin Elizabeth Allen Rosenbaum („Empire“, „Dead to Me“) - sie waren bisher hauptsächlich im Serienfach tätig. Wie auch Hauptdarstellerin Carson, die in „Pretty Little Liars“ mitspielte und seither vor allem als Sängerin auftrat. Sie schrieb auch an Cassies durchaus eingängigen Songs mit. Hauptdarsteller Galitzine hatte seine bisher größte Rolle ebenfalls in einer Serie, „Chambers“ auf Netflix.

Neben dem für Netflix-Produktionen nicht unüblichen politischen Anspruch besticht „Purple Hearts“ dadurch, dass die Figuren etwas Universales eint, und damit ist nicht Liebe gemeint. Beide Hauptfiguren haben Hemmungen, sich zu verlieben, weil sie anderen nicht trauen. Feinfühlig und nachvollziehbar zeigt der Film, wie es den beiden gebrannten Kindern doch gelingt. Gegen Ende gibt es ein paar recht dramatische, leider auch erwartbare Handlungen.

Intelligente Liebesfilme sind eine Seltenheit. Diesen hier kann man sich ansehen, ohne das Hirn ausschalten zu müssen.

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