Soulfunk-Sausen und Tiefschnee-Improvisationen

Gasteinertal. Skitouren um die Wette gehen und Jazz hören.

Ein Ski-As wie Hans Grugger macht einen Schwung und weg isser von der Bildfläche. Das wurmt Journalisten, weil sie sich auf ihren Stil etwas einbilden, und auf ihren Mangel an Respekt vor rasantem Tempo.

Mit einem jungen Skistar während einer Pressereise auf die Piste zu gehen, ist ein Privileg. Man versucht ein bisschen abzukupfern von der weltcupreifen Technik, will das Tempo wenigstens ansatzweise halten, plaudert und blödelt am Skilift. Hans Grugger gibt sich ganz uneitel und unkompliziert, Hotelkaufmann hat er gelernt, Skifahrer ist er geworden. Er erzählt von Trainings und seinem kapitalen Sturz, der seine Olympia-Hoffnungen durchkreuzte. Aber: neue Saison, neue Chancen.

Der Frage nach seiner Lieblingspiste entzieht sich ein Einheimischer gern. Auch Grugger zeigt sich da diplomatisch. In einem Tal, in dem es so viele einzelne Skigebiete wie Orte gibt, will sich keiner in die Nesseln setzen und die Hohe Scharte, die Schlossalm oder die Bürgerwaldabfahrt favorisieren.

Umso wärmer legt uns Skilehrer Georg - blond, fesch, gescheit - einen Geheimtipp ans Herz: den Graukogel, drei Lifte am gegenüberliegenden Hang. Früher war hier ein Toni Sailer unterwegs, und die Alpinisten sind sich regelrecht auf die Skispitzen getreten; jetzt herrscht selige Ruhe.

Technologisch ist der Graukogel etwas zurückgeblieben, das ist nicht bös gemeint. Denn wo die Bergbahnen bewusst nicht nachrüsten, besetzen die Tourenskigänger das Revier. Genau das ist auch beim Graukogel passiert. Die Pisten werden präpariert, aber nicht bis zum letzten Fuzerl Neuschnee und ohne waghalsige Abseilaktionen der Pistengeräte.

Trainierte Tourenskifahrer machen sich am besten schon bald mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut. Beim 24-Stunden-Rennen am ersten März-Wochenende hilft genaue Kenntnis des Geländes, sich die Kräfte für zigmal rauf und runter einzuteilen. Das schweißtreibende Projekt hat ein Ziel: den Eintrag ins Guinessbuch für den Weltrekord im 24-Stunden-Skitourenlauf.

Dabei geht's nicht darum, eine Strecke in kürzester Zeit zu bewältigen, sondern die meisten Höhenmeter. Für den Teilnehmer kommt das auf dasselbe heraus: Man geht an die Grenze. Bleiben wir auf der Piste. Die Abfahrten rund ums Gasteinertal sind breit und abwechslungsreich. Meist befindet sich der Skifahrer im blauen und roten Bereich, sodass man Kinder, Wiedereinsteiger und Anfänger auf den meisten Pisten auch bedenkenlos hinunterjagen kann. Wer w.o. gibt, muss nicht lange warten, bis sich am Horizont eine Hütte auftut. Und zwar eine, in der Fleischkrapfen auf designten Tellern arrangiert werden und sich der Wirt ins Zeug legt, damit seine Gäste eine Riesenpfanne Schwarzbeernocken wegputzen. In einer anderen Hütte serviert der Wirt den Gästen schon einmal ein Flascherl Prosecco.

Man sagt Gastein und meint damit oft vieles. Bad Gastein: Das ist der Kurort, in dem der Wasserfall mitten durchs Zentrum rauscht, fast jedes zweite Hotel eine eigene Therme hat, und man mit heißen Quellen die Straßen heizen könnte.

Die Bausubstanz rangiert zwischen Belle Epoque und Tiefgarage. Und glaubt man dem Satiriker Herbert Rosendorfer, werde der Ort "nur von Kellnern, Zimmermädchen, Tankwarten und dergleichen saisonweise bewohnt", und "außerhalb der Saison dann zusammengeklappt und magaziniert". Nein, so ist es nicht (mehr). Es gibt einiges, was dazu animiert, winterunabhängig hier aufzukreuzen: die Felsentherme, der Heilstollen, mehrere lohnende Wanderberge.

Bad Hofgastein liegt unten und markiert das Zentrum des Tales. Mit der Alpen Therme ist hier ein Bad neuen Zuschnitts entstanden, man konzentriert sich nebst Wasser-Wellness auf Sportmedizin. Das zusammenhängende Skigebiet Schlossalm-Angertal-Stubnerkogel teilen sich die beiden Bad-Gasteine. In Sportgastein, dem kleinen Skigebiet hinter Bad Gastein, liegt noch Schnee, wenn anderswo die Krokusse sprießen. Und in Dorfgastein haben die Rest-Gasteiner Konkurrenz: Man fährt hinauf auf den Kreuzkogel und carvt hinten nach Großarl hinunter. Aber die Gefahr, dass man aus dem Gasteinertal flüchten möchte, ist äußert gering.

Der Jazz fand seinen Weg ins Tal eigentlich durch einen Zufall. Als der Bildhauer Sepp Grabmaier vor einigen Jahren sein Atelier im Sägewerk mit einer Band einweihte, animierten ihn Freunde, mehr Konzerte zu veranstalten.

Dass ihm gleich darauf der Coup gelang, das famose Esbjörn Svennson-Trio zu engagieren, wirkte wie ein Katalysator. Und als seine Festival-Idee bei den Touristikern auf Gegenliebe stieß - was anderswo nicht immer die Regel ist -, kommt der Skifahrer im Frühling nicht nur mehr der Piste, sondern auch exzellenter Musik wegen. Der Grund, warum sich weniger massenkompatible Sounds und Ski so gut vertragen, liegt im Konzept: "Ich wollte kein Festival mit vielen Konzerten an einem Tag. Die Leute sollen vor Ort auch anderes erleben können." So dosiert Grabmaier die Gigs auf einen, zwei pro Tag und verstreut sie über Locations, die musikalisch am besten passen: Die Soulfunk-Sause auf die coole Skihütte, das große Orchester ins Bad Gasteiner Kongresshaus, Spirituelles in die Kirche, intime, clubartige Geschichten ins eigene Sägewerk, Jam-Sessions in die Hotel. Spätestens Mitte März hat das Gasteinertal seinen eigenen Beat.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.