Junge Forschung

Damit der Roboter greifen kann

An der FH OÖ in Wels erforscht Karin Nachbagauer Bewegungen von Robotern, um die Arbeitsschritte rasch und energieeffizient ablaufen zu lassen.
An der FH OÖ in Wels erforscht Karin Nachbagauer Bewegungen von Robotern, um die Arbeitsschritte rasch und energieeffizient ablaufen zu lassen.Hermann Wakolbinger
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Die Mathematikerin Karin Nachbagauer berechnet Industrieanwendungen wie die optimale Bahnkurve eines Roboterarms. Ihr Fachgebiet ist die Mehrkörperdynamik.

Greifen, fassen, drehen: Wie steuert man die Arbeitsschritte einer Maschine möglichst effizient? Welche Rolle spielen dabei die einzelnen Bauteile, deren Gelenksverbindungen, die auf sie einwirkenden Kräfte, die Materialien? „Die komplexen Vorgänge und Fragestellungen hinter den sogenannten Mehrkörpersystemen, mit denen wir es hier zu tun haben, bildet meine Forschungsgruppe anhand mathematischer Gleichungen ab“, erklärt Karin Nachbagauer. „Darauf basierend erarbeiten wir Computersimulationen und damit einen Weg zu den Lösungen.“

Die in Oberösterreich aufgewachsene Steirerin ist Professorin für Angewandte Mathematik an der FH Oberösterreich in Wels, wo sie auch zur Mehrkörperdynamik forscht. Dass ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt genau an der Schnittstelle von Mathematik, Maschinenbau und Informatik angesiedelt ist, lässt die 37-Jährige ein bisschen schmunzeln. „Im Gymnasium wurde mir der Wunsch, meine Maturaarbeit fächerübergreifend zwischen Mathematik und Informatik anzusiedeln, noch mit der Begründung abgeschlagen, es gebe zu wenige Überschneidungen. Ich hoffe, man ist da im Schulunterricht heute weiter.“

Coole Anwendung: Roboterzwilling

Nichtsdestotrotz war eine engagierte Mathematiklehrerin für sie das Zünglein an der Waage, sich an der Uni Linz (JKU) in Mathematik zu inskribieren. Technikbegeistert war sie schon als Kind. „Autos und Matador mochte ich genauso gern wie meine Puppen. Meinem Vater half ich mit Feuereifer beim Handwerken.“ Früh sei ihr klar gewesen, dass die Mathematik der Schlüssel zur Technik sei. Zunächst schloss sie den Bachelor in Technischer Mathematik, dann das Diplom in Industriemathematik ab. „Im Studium vermisste ich die Anwendung hinter all den Gleichungen und Formeln. Daher war mein nächster Schritt das Doktorat in Technischen Wissenschaften am Institut für Technische Mechanik der JKU.“

Hier kam sie erstmals mit der Mehrkörperdynamik in Berührung. „Diese ist maßgeblich für Bereiche wie Steuerung, Optimierung, Echtzeitsimulation, Arbeitsraum- und Bahnplanung oder auch Lebensdaueranalysen.“ Die Einsatzgebiete von Luft- und Raumfahrttechnik, Fahrzeugdynamik oder Biomechanik bis hin zu Robotik und Mechatronik seien enorm spannend. „Die Ästhetik der Mathematik trifft hier auf wirklich coole, moderne Anwendungen.“

Gerade entwickelt Nachbagauer den digitalen Zwilling eines Industrieroboters. Es ist ein Kooperationsprojekt zwischen der FH Oberösterreich und der TU München, wo sie eine Gastprofessur innehat und einen Maschinenbau-Doktoranden betreut. „In der Simulation kann man Größen wie Gelenkskräfte oder Dämpfungen messen, die im echten System vielleicht physikalisch gar nicht messbar wären. Außerdem kann der digitale Zwilling Bewegungsabläufe vorausberechnen und in Echtzeit die für die optimalen Bahnkurven des realen Roboterarms geeigneten Motormomente bestimmen.“

Dieser Roboterarm enthält biegsame Leichtbaukomponenten und ist damit äußerst zukunftsträchtig. Flexible Materialien werden immer bedeutender, so die Forscherin, etwa um die Mensch-Maschine-Kooperation sicherer zu machen. „Wir prüfen auch, ob sich sehr weiche Strukturen wie Schaumstoffe als Roboter steuern lassen.“ Eine solche Anwendung käme auch präzisionsgesteuerten Operationsrobotern zugute, die sich im Körper stark verbiegen.

Nachbagauer war federführend an der Entwicklung der kostenfreien Maschinenbau-Simulationssoftware www.FreeDyn.at beteiligt, in der auch der digitale Zwilling abgebildet werden wird. „In der Forschung rund um FreeDyn interessieren wir uns für das Zusammenspiel von Modellierung, Simulation und Optimierung von Mehrkörpersystemen.“ Als einer der wenigen Frauen in ihrem Fachgebiet liegt der Forscherin der weibliche Nachwuchs besonders am Herzen: Sie ist Mitorganisatorin der jährlich an ihrer Fachhochschule stattfindenden International Academy in Engineering for Women in Science. Ihr privater Ausgleich sind Sportklettern, Bergsteigen und Traillaufen.

ZUR PERSON

Karin Nachbagauer (37) hat an der Johannes-Kepler-Uni Linz Technische Mathematik und Industriemathematik studiert und 2012 in Technischen Wissenschaften promoviert. 2013 wurde sie Mitarbeiterin an der FH OÖ Campus Wels, seit 2015 hat sie dort eine Professur für Angewandte Mathematik inne. Seit 2020 ist sie außerdem Hans Fischer Fellow an der TU München.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2022)

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