Nachruf

Rolf Kühn ist tot: Ein stiller Swinger mit hohem Eleganzfaktor

Rolf Kühn 2019 in Salzburg.
Rolf Kühn 2019 in Salzburg.(c) imago images/Manfred Siebinger (Manfred Siebinger)
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Der Klarinettist Rolf Kühn, ein stiller Held des deutschen Jazz, starb 92-jährig in Berlin. In seiner New Yorker Zeit spielte er mit Benny Goodman und wohnte im selben Haus wie Billie Holiday.

Aus der Enge der DDR flüchtete er 1956 dorthin, wo der Jazz, seine Sehnsuchtsmusik herkam. Recht rasch konnte sich Rolf Kühn mit seiner Klarinette in der New Yorker Szene etablieren. Auch, weil er jede Arbeit annahm, die man als Musiker so bekommen konnte. Dazu gehörte das Einspielen von Werbejingles, was nicht die schlechteste Strategie war, um amerikanische Musikerkollegen kennenzulernen. Bald musizierte er in der Big Band des damaligen Jazzsuperstars Benny Goodman.

In der Upper West Side wohnte er damals im selben Haus wie die große, ja vielleicht größte Jazzsängerin aller Zeiten, Billie Holiday. Eines Abends vergaß er seinen Haustürschlüssel und musste sie herausläuten. Die Schimpftiraden, die er über sich ergehen lassen musste, verbesserten letztlich sein Englisch, das er mit dickem, deutschem Akzent sprach. Diese Anekdote erzählte er bis ins hohe Alter gerne. So auch in Stephan Lambrys sehenswerter Filmdokumentation „Brüder Kühn – Zwei Brüder spielen sich frei.“

Der 1929 in Köln geborene Kühn wuchs in Nazideutschland auf. Am 9. November 1938, der berüchtigten Reichspogromnacht, zerstörte Nazipöbel das Zigarrengeschäft von Kühns Mutter. Als Halbjude durfte Kühn nicht ans Konservatorium. Das behinderte ihn letztlich nicht. 1947 lernte er die exzentrische Pianistin Jutta Hipp kennen, die ihm den Weg wies. Seinen flüssig- swingenden Stil lobten später auch US-Kollegen wie Buddy De Franco. Kühn spielte auch mit eigenem Ensemble beim renommierten Newport Festival. Trotz aller dieser Erfolge ging er schon 1962 wieder zurück nach Deutschland, wo er die Leitung der NDR-Studioband übernahm.

In Fühlung mit amerikanischen Musikern blieb er allerdings. Granden wie Ornette Coleman, Jimmy Garrison und Charlie Mariano nahmen mit Kühn auf. In den Sechziger- und Siebzigerjahren nahm er fantastische Alben wie das psychedelische „Total Space“ für das weltbekannte, deutsche Label MPS auf.  Kühn experimentierte nicht nur mit Free Jazz, sondern auch mit Easy Listening. „Nana & Rolf“ wurde eine Kultplatte. Auch Fernsehsignations komponierte er. Etwa für die Serie „Perrak“, in der Horst Tappert die Hauptrolle spielte. Die überaus fruchtbare Zusammenarbeit mit seinem klavierspielenden, jüngeren Bruder Joachim betrieb er ein Leben lang. Bis zuletzt war der stets gut gelaunte Klarinettist auf Achse. Auch späte Einspielungen wie „Yellow And Blue“ überzeugten mit Frische und Originalität. Die Idee eines Ruhestands, die war diesem Meister fremd.

Am 29.9.1929 wurde Rolf Kühn in Köln geboren. Das Zigarrengeschäft seiner Mutter wurde in der Reichspogromnacht zerstört.

1956 zog Kühn in die USA, wo er im Orchester von Benny Goodman spielte.

1962 kam er nach Deutschland zurück, war u. a. im Theater des Westens musikalischer Leiter und schrieb TV-Musik für „Tatort“ und „Derrick“.

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