Zeitreise

Heute vor 100 Jahren: Die letzte Blaue

Der 1. Juni wird unter Umständen im Kalender eines jeden Straßenbahninteressenten rot angestrichen werden.

Neue Freie Presse am 13. Mai 1924

Damit wäre weniger eine parteipolitische Huldigung für die gegenwärtigen Machthaber im Rathaus beabsichtigt, als vielmehr dem inneren Drang Ausdruck verliehen, den Tag anzumerken, von dem angefangen auch die Straßenbahner sich endlich davon überzeugen ließen, daß der Weltkrieg, genau genommen, doch zu Ende gegangen sei. Die „letzte Blaue“ soll eine Stunde später verkehren, ganz so wie im tiefsten Wiener Frieden.

Man soll wirklich nicht mehr dazu verurteilt sein, im Theater oder im Konzertsaal zum eigenen Mißvergnügen und zu dem der übrigen Besucher vor Schluß wegzueilen, in der Garderobe Carpentier nachzuahmen, damit man doch vielleicht die Eventualität vermeide, bei Wind und Wetter seine Wohnung in irgendeinem entfernten Stadteil zu Fuß aufsuchen zu müssen. Es winkt die verführerische Aussicht, an heißen Sommerabenden - vielleicht wird es auch heuer solche geben - in die Umgebung Wiens hinausfahren zu dürfen, ohne einige Atemzüge Wienerwaldluft mit einem stundenlangen Fußmarsch zu bezahlen. Aber nur nicht übermütig werden! Mit dem Triumphgeschrei lieber ein wenig zuwarten! Noch ist es nicht viel mehr als eine zittrige Hoffnung, als ein vielversprechendes: Es dürfte! Es könnte! Als ein freundlich zwinkerndes: Vielleicht!

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.