Zeitreise

Heute vor 110 Jahren: Wie steht es heuer um die Minne von Meister Lampe?

Über Jagdansichten in Österreich-Ungarn.

Neue Freie Presse am 14. Mai 1924

Ein Jäger schreibt uns: Der Wonnemonat Mai hat sich in Oesterreichs Landen gar nicht gut eingeführt, ja die Fostperiode gleich zu Beginn des Monats verursachte der Land­wirtschaft, noch mehr aber dem Weinbauern großen Schaden. Obst- und Weinbau erlitten in einer Zeit, wo die schönsten Hoffnungen vorhanden waren, schwere Schäden, die kaum mehr zu heilen sind. Ein paar Stunden Tieftemperaturen, ein Eishauch, der über die Landen strich, bereiteten der Landwirtschaft für ein ganzes Jahr enorme Verluste. Gleich­ wie der Landwirt hat auch der Jäger gar sehr mit Wetter­gunst und -ungunst zu rechnen: auch er bangt und sorgt das ganze Jahr für seinen Wildstand, den der nächste Wettersturz, die heraufziehende Hagelwolke, eine Regenperiode oder Dürre zu vernichten vermag.

Bis jetzt hatte sich das Früh­jahr noch gnädig gezeigt für den Wildstand, namentlich für das Niederwild. Junghasen gab es wohl schon von Mitte Februar ab in sehr geschützten Lagen: man fand sie in den Düngerhaufen der Feldfluren, wo sie vor dem harten Winter­ weiter am besten geschützt waren. Die meisten Junghasensätze brachte jedoch der Monat März: die sogenannten „März-Hasen“. Sie sind es, mit denen der Jäger als Zuwachs vor allem rechnet. Tritt durch mildes Wetter verführt, Meister Lampe gar zu früh in die Minne, so daß die ersten Hasensätze noch im Machtbereiche des Winters ihr kurzes Erden­dasein beginnen, so ist die Einbuße schon von vornherein eine große, wird aber eine katastrophale, sobald auch im vor­geschrittenen Frühjahre Wetterstürze eintreten, die die letzten Reste des ersten Satzes und den in die Welt gesetzten zweiten Saß mitvernichten.

Der strenge Winter aber, in den Niederwildrevieren wohl nicht von zu reichlichen Schneemengen begleitet, ließ Meister Lampe nicht recht zu vorzeitiger Minne kommen: dies rettete Tausenden von Junghasen das winzige Leben auf den Flüren Nieder- und Oberösterreichs, Mährens, Böhmens und Ungarns. Auch die Südsteiermark und Galizien haben einige gute Hasenjagdgebiete, in welchen heuer die junge Deszendenz ganz prächtig nachwächst. Im Tullner Boden und im Marchfelde erwartet man heuer ein sehr befriedigendes Hasenjahr. Aehnliches ist vom Feldhuhne und dem Fasan zu sagen. Das Rebhuhn befindet sich augen­blicklich in der Lege- und Brutperiode, desgleichen der Fasan.

Während sonst nach Winterausgang manche Fasanerkrankungen und in der Folge auch epidemische Erkrankungen gemeldet wurden, ist bislang noch nichts bekannt. Der Jungfasan, der in nicht gar langer Zeit die Fasanerien bevölkern wird, kann dahingerafft werden, sobald er ins Leben getreten ist und erliegt gar leicht mancherlei Krankheiten. Dagegen sind die Rebhühner schon gefährdet kurz nach dem Paaren.

Heute vor 100 Jahren: Die letzte Blaue

Der 1. Juni wird unter Umständen im Kalender eines jeden Straßenbahninteressenten rot angestrichen werden.

Neue Freie Presse am 13. Mai 1924

Damit wäre weniger eine parteipolitische Huldigung für die gegenwärtigen Machthaber im Rathaus beabsichtigt, als vielmehr dem inneren Drang Ausdruck verliehen, den Tag anzumerken, von dem angefangen auch die Straßenbahner sich endlich davon überzeugen ließen, daß der Weltkrieg, genau genommen, doch zu Ende gegangen sei. Die „letzte Blaue“ soll eine Stunde später verkehren, ganz so wie im tiefsten Wiener Frieden.

Man soll wirklich nicht mehr dazu verurteilt sein, im Theater oder im Konzertsaal zum eigenen Mißvergnügen und zu dem der übrigen Besucher vor Schluß wegzueilen, in der Garderobe Carpentier nachzuahmen, damit man doch vielleicht die Eventualität vermeide, bei Wind und Wetter seine Wohnung in irgendeinem entfernten Stadteil zu Fuß aufsuchen zu müssen. Es winkt die verführerische Aussicht, an heißen Sommerabenden - vielleicht wird es auch heuer solche geben - in die Umgebung Wiens hinausfahren zu dürfen, ohne einige Atemzüge Wienerwaldluft mit einem stundenlangen Fußmarsch zu bezahlen. Aber nur nicht übermütig werden! Mit dem Triumphgeschrei lieber ein wenig zuwarten! Noch ist es nicht viel mehr als eine zittrige Hoffnung, als ein vielversprechendes: Es dürfte! Es könnte! Als ein freundlich zwinkerndes: Vielleicht!

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