Die „königliche Sitte“ des Etwas-Mitbringens erlebt eine neue Hochkonjunktur.
Neue Freie Presse am 31. Mai 1933
Eine Dame schreibt uns: Es ist heute wie in klassischen Zeiten. Man übernimmt die königliche Sitte der Gastgeschenke und „bringt etwas mit“, wenn man zu Freuden ins Wochenendhaus oder in die Villa kommt. Fürs Wochenendhaus gibt es unzählige Kleinigkeiten, die man gut gebrauchen kann.
Der „Zeitungsträger“ aus Schleiflack ist sehr verwendbar für die Hausfrau, die ihrem Liegestuhl je nach Laune und Temperatur zwischen Sonne und Schatten hin und her schiebt. Im Zeitungsständer, der mit einem Handgriff vom Haus in den Garten getragen wird, hat sie ihr ganzes Lesematerial und auch noch die Schreibmappe aus Baststoff untergebracht. Eine Keksschachtel aus Bast und Blech, ein aparter Korkzieher, eine hübsche bäurische Glasflasche für hausgemachten Likör, luftig lackierte Bücherstützen, ein moderner Gong, ein schönes Gästebuch oder ein Eisbehälter, mit einer Eiszange sind reizende Neuigkeiten, die gewiß im Heim der Freundin noch nicht vorhanden sind.
Das moderne Leben steht im Zeichen des Gartens. Man hat die Liebe zu den Blumen neuerdings entdeckt und schmiedet nicht – wie einst – nur romantische Gedichte, die Frauen und Blumen poetisch und sentimental miteinander vergleichen; man liebt die Blumen selbst und hegt und pflegt ihr zartes, sommerliches Leben. Jede Villenbesitzerin ist zugleich Gärtnerin. Jede Frau, die ein kleines Wochenendhaus ihr eigen nennt, ist bemüht, es mit einem blühenden Gärtchen zu umgeben. Und ist dieser gartenplatz auch winzig: er braucht Pflege! Darum schenkt man der Dame auch Gartenutensilien.
Marlene Dietrich wird belagert
Die Autogrammlüsternen füllen ganze Säle.
Neue Freie Presse am 30. Mai 1933
Einen Erholungsaufenthalt in Wien bezeichnet Marlene Dietrich als den Zweck ihrer Reise. Wenn man Erholung mit stiller Zurückgezogenheit identifiziert, so wurde ihr bisher die Verwirklichung ihrer Absicht scher genug gemacht.
Im Hotel Krantz, in dem sie drei Zimmer mit Aussicht auf den Neuen Markt bewohnt, ging es gestern von früh bis abends überaus lebhaft zu. Besuche, Autogrammjäger, Briefe, Telephonanrufe am laufenden Band. Allen Besuchern wird, übrigens wahrheitsgemäß, erklärt, Marlene sei außer Haus, die Zeit der Rückkehr unbestimmt. Die Zahl der Autogrammlüsternen wuchs in den Mittagsstunden derartig an, daß die Hoteldirektion ihnen den Eintritt in das Haus verwehren mußte.
Aber die schriftlichen Bitten oder Stammbücher werden entgegengenommen und auf das Zimmer des „blauen Engels“ gebracht. Er gibt dort, wie hoch und heilig versichert wird höchstpersönlich seine Unterschrift und betraut nicht etwa den Sekretär damit. Dieser ist damit beschäftigt, den Briefeinlauf, der einige Hundert erreicht hat, zu sichten. Angebote von Schneiderinnen und Modistinnen, die Künstlerin gratis beliefern zu können, werden abgelehnt. Nicht besser ist es einer Reihe von Theateragenten, Direktiren und Filmleuten ergangen, die Angebote stellen wollten.
Immer wieder wurde das Wort Erholungsreise betont. Arbeit gibt es in Hollywood genug. Im Oktober wird der nächste Film gedreht.
Ein Schuljunge als Erpresser
Ein trauriges Großstadtbild.
Neue Freie Presse am 29. Mai 1923
Der künftige Sittenschilderer unserer Zeit wird die Berichte aus den Gerichtssälen aufmerksam durchforschen müssen. Sie zeigen die Entartung und Verwilderung ohne heuchlerische Beschönigungsversuche, sie reisten von der Wahrheit und der Wirklichkeit alle täuschenden und irreführenden Schleier und geben ein anschauliches, aber auch erschüttern das Bild von der Fäulnis, die immer mehr um sich greift und immer neue Opfer fordert.
Jeden Tag kann man sehen, wie viel der Krieg zerstört und die Nachkriegsära verwüstet hat; die Zeugnisse für den Zusammenbruch einer Kultur, die sich dünkelhaft für unvergänglich hielt, und für die Umwertung aller Sittlichkeitsbegriffe, aller Vorstellungen von dem, was gestattet ist, was geduldet werden darf, mehren sich in unheimlicher Weise. Aber wir sind bereits allzu abgestumpft. Wir haben zu viel erlebt und erlitten, um für die Alarmrufe der bedrohten Moral empfänglich zu sein, um bei jedem frischen Vorstoß gegen den Geschmack, gegen die gute Sitte und gegen die altgewohnte Auffassung von gesellschaftlicher Ordnung aufzuschreien.
Dennoch überläuft es einen kalt, wenn man von einem Vorfall hört, der am letzten Samstag einen Berufungssenat des Landesgerichtes für Strafsachen beschäftigt hat. Drei dreizehnjährige Jungen haben ein flottes Leben geführt, Konditoreien und Kinos häufig besucht, an sportlichen Veranstaltungen teilgenommen und Ausflüge gemacht, die allenfalls mehr kosteten, als Bürgerschulen in der Regel aufwenden können. Das notwendige Geld war auch auf unredliche Weise zustandegebracht.
Der kleine Johann ist allerdings der Sohn eines wohlhabenden Selchers, aber er erhielt die acht Millionen, die allmählich verausgabt wurden, nicht von seinem Vater, sondern er entwendete sie der Geschäftskasse. Zu seiner Entlastung muß freilich gesagt werden, daß er die Diebstähle nicht freiwillig unternahm, daß er vielmehr unter einem bösen Zwang stand, unter dem Drucke feines Kameraden Otto, der als der eigentliche Rädelsführer, als der verhängnisvolle Dämon zu bezeichnen ist. Dieser Bürgerschuljunge hatte seinen Freund ertappt, als er einiges Naschwerk verzehrte, einige Süßigkeiten, die mit gestohlenem Gelbe gekauft waren. Dieses Wissen benützte nun Otto dazu, seinen Jugend genossen einzuschüchtern und ihn durch fortgesetzte Drohungen zu veranlassen, immer tiefer in die Geldlade zu greifen und den Vater immer mehr zu bestehlen, bis er schließlich auf einmal vier Millionen davontrug.
Der Erpresser und der auf der Schulbank sitzende Millionendieb gehören selbst in unseren Tagen der Verlotterung und der Verwahrlosung zu Ausnahmserscheinungen, aber immerhin, die jugendliche Diebsbande stellt einen Tiefpunkt auf der Stufenleiter des sittlichen Verfalles oder, wenn man will, einen Rekord auf dem Gebiete des Verbrechertums dar.
Das Hakenkreuz auf Tausendkronennoten
In letzter Zeit sind wiederholt österreichische Tausendkronennoten, worauf ein Hakenkreuz aufgedruckt war, zur Zahlung vorgewiesen worden.
Neue Freie Presse am 28. Mai 1923
Amtlich wird mitgeteilt: In letzter Zeit sind wiederholt im 14. Wiener Gemeindebezirke österreichische Tausendkronennoten, worauf ein Hakenkreuz aufgedruckt war, zur Zahlung vorgewiesen worden. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß es laut der Vollzugsanweisung vom 18. Juli 1920, St.G.Bl. Nr. 340, verboten ist, die für den Umlauf in Oesterreich bestimmten Noten der Oesterreichisch-ungarischen Bank mit textlichen Zusätzen zu versehen, zu überbrücken, zu übermalen, zu stampiglieren, mit oder ohne Schriftzeichen zu perforieren oder sonstwie in ihrer äußeren Form abzuändern.
Noten, die auf solche Weise abgeändert wurden, verlieren ihre gesetzliche Zahlkraft und dürfen von der Oesterreichischen Nationalbank nicht eingewechselt oder umgetauscht werden. Es ist daher bei Empfangnahme von Banknoten Vorsicht am Platze, damit nicht der Empfänger durch Entgegennahme einer durch Ueberdruck veränderten Banknote Schaden erleide. Außerdem wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Uebertretung des erwähnten Verbotes nach den Bestimmungen der Verordnung vom 30. September 1857, N. G. Bl. Nr. 198, strafbar ist.
Eine Mondschein-Zeremonie des Ku Klux Klans
Der Geheimorden entzündete mit Fackeln ein Kreuz. Dieses rötete den Himmel und wurde in seiner Flammenhülle weit bis zur Küste gesehen.
Neue Freie Presse am 27. Mai 1923
Aus Newyork wird uns geschrieben: Der Geheimorden des Ku Klux Klans, der sich bekanntlich den Kampf gegen Katholiken, Juden, Neger und die Fremdnationalen in Amerika zum Ziel gesetzt hat, nahm kürzlich Gelegenheit, der Oeffentlichkeit seine wachsende Macht vor Augen zu führen. Es geschah im Rahmen einer Veranstaltung, bei der zweitausend neue Mitglieder aufgenommen wurden. Den grotesk-phantastischen Gebräuchen entsprechend, kann es nicht wundernehmen, wenn die mit mittelalterlicher Geheimnistuerei veranstaltete Zeremonie in die Mitternachtsstunde verlegt wurde.
Fünf Meilen von New-Brunswick, New-Jersey, in der Nähe von Newyork auf einsamem Gelände, wurde ein weiter Raum abgesteckt, in dessen Mitte ein Kreuz, 60 Fuß hoch, gegen den Nachthimmel aufragte. Hieher strömten die Eingeladenen, die Ritter des Ordens, die von nah und fern berufen worden waren. Meilenweit waren die Straßen mit Autos förmlich blockiert, die in Tausenden dem Versammlungsort zueilten. Viele hatten die weite Reise aus Kalifornien, Georgien und Florida hinter sich; die meisten aber waren von Newyork und den Nachbarstaaten gekommen. Es waren etwa 10.000, die sich hier zu mitternächtlicher Stunde versammelten. Der "Erhabene Zyklop", in eine rote wallende Robe angetan, führte den Vorsitz. In weißen Gewändern, mit Masken vor dem Gesicht, knieten in langer Reihe die Adepten und leisteten in seltsamem Ritual dem "Unsichtbaren Reich" den Treueeid. Zweieinhalb Stunden währte die Zeremonie. Bis dann auf ein Kommando des "Erhabenen Zyklopen" sich alle erhoben und im Reigen das hochaufgerichtete Kreuz umwandelten.
Mit Fackeln wurde das heilige Emblem dann entzündet, daß es leuchtend den Himmel rötete und in seiner Flammenhülle weit bis zur Küste gesehen werden konnte. Indes war dafür zu sorgen gewesen, daß kein Unberufener die Versammlung störe. Scharfe Kommandoworte ertönten, die dem "Ritterlichen Falken" befahlen, die Wachen an den Toren zu verstärken. Dann sah man von Zeit zu Zeit Schatten durch die Nacht herankommen, aus denen sich die Meldung rang: Die Spione sind entfernt. Nach Beendigung der Zeremonie begaben sich etwa siebenhundert Klansritter nach Boundbrook, wo die Bevölkerung zwei Tage vorher ein Ordensmeeting gewaltsam gestört hatte, um in einer Demonstration dagegen zu protestieren. Sie begnügten sich aber damit, die Hauptstraßen entlang zu ziehen und Trotzrufe gegen die Einwohner auszustoßen. Das Bedeutsame dieses Schauspieles wird darin erblickt, daß die Aufmerksamkeit der Amerikaner von den Weltereignissen auf die angeblichen Gefahren gelenkt wird, die dem amerikansichen Protestantismus drohen sollen.
Der Stammvater des Wiener Kaffeehauses
Die Ukrainer versuchen gerade, den für Österreich so wichtigen Polen für sich zu „reklamieren“.
Neue Presse am 26. Mai 1933
Unser Warschauer Korrespondent schreibt uns: Das Jubiläum der Wiener Türkenbefreiung weckt auch die Erinnerung an den tapferen Kulczycki, dessen Name nicht nur in der Geschichte der Türkenkriege, sondern auch in der Wiener Lokalgeschichte fortlebt. Er ist ja bekanntlich der Begründer des nochmals zu Weltruhm gelangten Wiener Cafés. Von König Sobieski für die Kundschafterdienste, die er während der Belagerung Wiens durch die Türken dank seiner genauen Kenntnis ihrer Sprache und Vertrautheit mit ihren Sitten geleistet hat, mit den in dem Lager Kara Mustaphas erbeuteten ungeheuren Mengen von Kaffeesäcken beschenkt, lehrte er die Wiener zuerst das edle Getränk aus dem Osten zu genießen, das mit der Zeit zu einem Wahrzeichen ihrer Stadt werden sollte.
Die nach ihm benannte Gasse in Wien hält die Erinnerung an ihn fest. Freilich ist dabei sein Name ein wenig verballhornt worden, denn er lautete in Wahrheit nicht Kolschitzky, sondern Kulczycki. Er stammte aus einem alten Adelsgeschlecht und hieß Franz Xaver v. Gas-Kulczycki.
Aus Anlaß des 250. Jahrestages der Befreiung Wiens von den Türken wurde er nun von den Ukrainern mit der Behauptung für sich „reklamiert“, er sei kein Pole, sondern einer der Ihrigen gewesen. Es hat indes zur Zeit König Sobieskis noch keine „ukrainische Frage“ gegeben und die Ukrainer nannten sich dazumal noch „Ruthenen“. Sofern sie aber adelig waren, bezeichneten sie sich ausdrücklich als „gente Ruthenus, natione Polonus“.
Selbst wenn er also Ruthene gewesen wäre, was er jedoch aufgrund der geschichtlichen Forschungsergebnisse bestimmt nicht war, hätte er sich unzweifelhaft zum Polentum bekannt. Wie von polnischen Geschichtsschreibern nachgewiesen wurde, entstammte er jedoch der Walachei oder Rumänien. Seine Ahnherrn erhielten für tapferes Verhalten im polnischen Herr den Adel mit dem in Polen sehr angesehenen und weitverbreiteten Wappen „Gas“. Sogar die Mutter Johann Sobieskis, eine geborene Danillowicz, war Trägerin dieses Wappens.
Künstlergagen in Amerika
Die Stars am Musikhimmel heimsen Millionen ein.
Neue Freie Presse am 25. Mai 1923
Aus Newyork wird uns geschrieben: Daß das kunstliebende Amerika willkommenen Freudenspendern generösesten Dank zollt, ist bekannt. Jahr um Jahr pilgern daher die Großen im Reiche der Kunst über den Ozean, wo man es so trefflich versteht, den Lorbeer in Gold zu fassen. Aber freilich nur das Beste vom Besten kann hier bestehen.
Paderewski, der Meister, den politische Ambitionen eine Zeitlang ferngehalten, hat heuer wieder jenes Podium betreten, auf dem ihm eine begeisterte Menge willig und uneingeschränkt Anerkennung zujubelt. Er wird übrigens auch gefunden haben, daß diese Anerkennung dauerhafter und glänzender ist, als sie ihm auf seinen politischen Ausflügen zuteil ward.
Noch sind genaue Ziffern über die Einkünfte seiner diesjährigen Tournee nicht erhältlich. Aber was man von seinem persönlichen Freund erfährt, bestätigt, daß er den Rekord gebrochen hat. Denn die Gesamtsumme, die er seit November verdiente, wird mindestens 460.000 Dollar, erreichen (über 32 Milliarden Kronen). Das ist nahezu das Doppelte von dem, was er in der ersten Zeit seiner sensationellen Künstlerlaufbahn heimgebracht.
Große Summen sind es auch, welche die leuchtenden Opernsterne Jeritza und Farrars verdienten. Mme. Farrars Konzerttour trug ihr 125.000 Dollar (8 3/4 Milliarden Kronen) ein. Frau Jeritza hatte nur die Möglichkeit, noch knapp
bevor sie abreiste, auf einer kurzen Frühlingstour 14 Konzerte zu geben. Wenngleich auch hier die genaue Summe ihrer Gage nicht feststeht, so spricht man doch davon, daß ihr Anteil an den Einkünften der Unternehmer sich aus über 60.000 Dollar (4 1/4 Milliarden Kronen) beläuft.
Ist es Österreich wert, erhalten zu werden?
Eine Rundfunkrede des Heeresminister General Baugoin.
Neue Freie Presse am 24. Mai 1923
Bundesminister für Heereswesen General Baugoin hielt gestern im Zeitfunk eine Rede, in der er unter anderem ausführte:
Oesterreichertum ist das Bekennen zu jenem deutschen Stamme, der zweifellos im vordersten Treffen aller Deutschen steht und der das Deutschtum zum Großteil mitgeschaffen hat, der unsere deutsche Kultur auf lichte Höhen geführt, ihr Weltgeltung verschafft und sie oft gegen eine Welt von Feinden allein verteidigt hat. Auch für die Zukunft wird Oesterreich an seiner tausendjährigen Tradition ganz selbstverständlich festhakten: Immer nur zum Schutz des Gesamtdeutschtums zu wirken und zu kämpfen.
Und wenn es in dieser Welt irgendwann wirkliche Nibelungentreue gibt, dann war sie und wird sie zu finden sein in jenem Oesterreich, das niemals untergehen wird. Schluß mit der Entösterreichisierung!
Schluß mit aller undeutschen Geschichtslüge, Schluß mit unserem Langmut gegen die Uberheblichkeit jener, die unter dem Titel der nationalen Einheit Oesterreuch verspeisen wollen und jenen, die es verschenken wollen. Das österreichische Volk steht jetzt zum größten Teil entschlossen auf, es meldet sein Anrecht auf Gerechtigkeit innerhalb des Deutschtums an, es wird, wenn ihm diese Verhandlung weiter vorenthalten wird, Mittel und Wege finden, um zu beweisen, daß ein deutscher Stamm aus österreichischem Holz nicht zu fällen ist.
(…) In eingehender Weise beschäftigte sich der Minister mit den Leistungen Oesterreichs auf allen Gebieten der Wissenschaft und Künste, beleuchtete Wiens besondere Stellung in der Musik und schloß: Oesterreichisches Volk! Nicht der ist der beste Deutsche, der Oesterreich herabsetzt oder gar verleugnet, sondern derjenige gibt allen Deutschen ein Beispiel, der diese, seine wunderschöne Heimat nie im Stiche läßt und ihr bis zum letzten Atemzug echte deutsche Treue hält.
Das Polizeispital in Not
Die Ordnungshüter bitten um Spenden.
Neue Freie Presse am 23. Mai 1923
Wir erhalten folgenden Aufruf: „Vor mehr als drei Jahren wurde das Polizeispital im 3. Bezirk, Bocryavegafse, ins Leben gerufen, um allen Organen der Wiener Polizei, deren Frauen und Kindern im Erkrankungsfalle zur Verfügung zu stehen. Es hat bisher seiner humanen Aufgabe entsprechen können; doch ist der Polizeispitalfonds durch starke Inanspruchnahme und die Geldentwertung großer Verstärkung bedürftig, soll nicht eines Tages wegen Unzulänglichkeit der Mittel der Fortbestand gefährdet werden.
Deshalb wendet sich das unter dem Präsidium des Polizeipräsidenten
Schober stehende Unterzeichnete Komitee an die Oeffentlichkeit - mit der Bitte, durch Zuwendung von Spenden den Fonds wieder so weit zu kräftigen, daß die Erhaltung des Spitals gesichert bleibt. Spenden werden von den Tagesblättern, dem Präsidialbureau der Polizeidirektion und der Wechselstube, 1. Bezirk, Stephansplatz, eingenommen.
Im Kriegsfall stünde Frankreich alleine da
In Frankreich wird eine dreijährige Dienstzeit eingeführt – aus gutem Grund.
Neue Freie Presse am 22. Mai, 1913
Der Berichterstatter der Armeekommission der Kammer, Deputierter Paté, führt in seinem Bericht aus: Bei Beginn eines Krieges stehe Frankreich Deutschland allein gegenüber, dessen Friedensstärke ohne Offiziere 863.000 Mann zählen werde. Die deutsche Wehrvorlage, deren Vorwand die Orientereignisse seien, werde die doppelte Wirkung haben: erstens schneller und stärker als früher während der Mobilmachung einen Angriff zu versuchen, zweitens alle Operationen mit jüngeren, moralisch und körperlich geeigneteren Mannschaften beginnen zu können, als es die französischen seien.
Den deutschen 863.000 Mann könne Frankreich ohne algerische Hilfstruppen und die Truppen in Marokko nur 480000 Mann als Deckungstruppen und Kern der Mobilarmee entgegenstellen. Das geltende Gesetz vom Jahre 1905 habe zwar die vorgesehenen Mannschaftsbestände ergeben, aber es fehle an Kapitulanten und die Infanterie habe aus ihren Beständen die nötigen Mannschaften für die neuen Waffengattungen (Luftschiffer, Telegraphenkompagnie usw.) abgeben müssen, so daß im September 1912 die nicht verstärkten Kompagnien nur 50 bis 75 Mann zählten.
Die Regierung hat, indem sie hierin der durch einen sicheren Instinkt geleiteten öffentlichen Meinung folgte, Wert darauf gelegt, nicht im gegebenen Falle unversehens durch die schonungslose Verwirklichung einer Drohung überrascht zu werden, die in der Luft lag und die noch nicht verschwunden ist. Der Gesetzentwurf, betreffend die dreijährige Dienstzeit, entspricht den Notwendigkeiten des gegenwärtigen Zeitpunktes und den Erfordernissen der Zukunft, selbst für den Fall, daß bei unseren Nachbarn etwa neue Vermehrungen für gut befunden werden sollten.