Worte der Woche

Gemeingutorientierte Wohlergehensökonomie

Der Club of Rome diagnostiziert ein exponentielles Wachstum bei erneuerbaren Energien. Dies könnte eine disruptive Entwicklung der Welt zum Besseren auslösen.

Ziemlich genau 50 Jahre nach dem alarmierenden Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ legte der Club of Rome nun ein Konzept zum Übergang zu einer „gemeingutorientierten Wohlergehensökonomie“ vor. Um dies zu erreichen, werden im eben auf Deutsch erschienenen Bericht „Earth for all“ (249 S., oekom, 25,70 €) fünf Kehrtwendungen gefordert: Beendigung der Armut; Beseitigung eklatanter Ungleichheit; Ermächtigung von Frauen; Aufbau eines gesunden Ernährungssystems; saubere Energie.

Bei dieser Transformation spielt die Neuausrichtung aller Material-, Informations- und Geldflüsse eine große Rolle – und damit neben Organisations- und Verhaltensänderungen auch Technologie. Gezeigt wird dies an zentralen Sektoren wie etwa Finanzen, Ernährung oder Energie. Der Ausblick ist, trotz des aktuell bescheidenen Zustands der Welt, ungemein optimistisch: „Die unglaublich gute Nachricht ist, dass die Welt bereits an der Schwelle zu einer Transformation des globalen Energiesystems steht, die so umfassend und schnell ist wie nie zuvor in der Geschichte“, heißt es.

Der Optimismus beruht auf dem Phänomen der „Disruption“: Eine disruptive Innovation ergänzt, verdrängt und ersetzt am Ende eine bestehende Technologie – so wie z. B. Autos Pferde als Transportmittel ablösten oder das Internet unser Leben völlig veränderte. Disruptive Entwicklungen lösen Kaskadeneffekte aus: Sie krempeln nicht nur den Bereich um, in dem sie sich ereignen, sondern darüber hinaus auch andere Sektoren – bisweilen sogar die ganze Gesellschaft oder die Zivilisation als solche (man denke etwa an das Zähmen des Feuers, das Verarbeiten von Metallen oder das Nutzbarmachen fossiler Rohstoffe).

Und: Disruptionen schreiten rasant voran. In einem der zahlreichen „Deep Dive Papers“, die den Club-of-Rome-Bericht ergänzen (www.earth4all.life), führt der Thinktank RethinkX aus, dass sich derzeit sowohl die Ausbreitung als auch die Kostenreduktion erneuerbarer Energien exponentiell entwickeln: Die Experten prognostizieren, dass Wind- und Solarstrom sowie dessen Speicherung binnen 20 Jahren durch Lern- und Skaleneffekte um den Faktor zehn billiger würden. Dies setze eine disruptive Entwicklung in Gang, durch die in absehbarer Zeit saubere Energie im Überfluss vorhanden sein werde – mit vielen Synergieeffekten und positiven ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen.

Ob das nicht viel zu schön klingt, um wahr sein zu können?

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2022)

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