Kormorane am Bodensee: Studie empfiehlt Abschuss

Ein Kormoran neben Lachmöwen, hier am Strand von Mönkebude.
Ein Kormoran neben Lachmöwen, hier am Strand von Mönkebude.(c) IMAGO/Leo (IMAGO/Ronald Krumbholz)
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Die Zahl der fischfressenden Zugvögel am See soll gesteuert werden, koordinierte Abschüsse könnten "eine bedeutende Rolle" spielen.

Die Zahl Kormorane am Bodensee sollte einer Vorstudie im Auftrag des Landes Baden-Württemberg zufolge international abgestimmt reguliert werden. Ein gemeinsames Vorgehen mit Bayern, Österreich und der Schweiz sei nötig, um gefährdete Fischarten im See zu schützen, teilte das Landwirtschaftsministerium in Stuttgart auf Anfrage mit.

Wie die Zahl der fischfressenden Zugvögel am See gesteuert werden soll, wolle das Land mit den zuständigen Behörden und Vertretern von Fischerei und Naturschützern nun in einem "Dialogprozess" besprechen. "Koordinierte Abschüsse" könnten demnach aber "eine bedeutende Rolle" spielen. Fischer am Bodensee fordern seit Jahren ein schärferes Vorgehen gegen den Kormoran, weil sie die Vögel zunehmend als Konkurrenz bei immer geringeren Fangmengen sehen. Naturschützer lehnen Abschüsse der vor wenigen Jahrzehnten noch gefährdeten Zugvögel dagegen weitgehend ab.

Ein Vertreter des Naturschutzbunds (Nabu) Baden-Württemberg kritisierte die Vorstudie als unausgewogen. Andere Faktoren wie der Klimawandel und eingewanderte Arten würden bei der Beurteilung der Ursachen immer leererer Fischernetze nicht ausreichend berücksichtigt. Der Schutz gefährdeter Fischarten sei nur "vorgeschoben", um eine Begrenzung der Kormoran-Zahlen zu begründen. Gut ein halbes Kilo Fisch können die Zugvögel am Tag verspeisen, während die Netze der Fischer immer leerer werden.

Eigentlich ein europaweites Vorgehen nötig

Kormorane seien "räumlich höchst mobil", sagt Erich Staub, der als Biologe den Internationalen Bodenseefischereiverband berät. Zudem reagierten die Vögel sehr empfindlich auf Störungen und brüteten deshalb vor allem in Schutzgebieten. Eine seeweite Abstimmung, um die Vögel zu vertreiben, sei deshalb sehr schwierig - und dürfe gleichzeitig nur ein Anfang sein. Weil der Nachwuchs der Vögel vom Bodensee zu Hunderten ins Ausland ziehe, sei eigentlich ein europaweites Vorgehen nötig, um den Kormoran in den Griff zu bekommen. Bisher sei das aber "kein Thema".

Für Naturschützer stellt sich deshalb die Frage, ob ein seeweiter Kampf gegen die Vermehrung der Vögel überhaupt sinnvoll wäre. "Man will gleich die ganz, ganz große Lösung", sagt LBV-Experte Andreas von Lindeiner. "Aber das wird eine sehr, sehr anspruchsvolle Aufgabe." Nicht nur in den Ländern und Bundesländern gebe es aktuell unterschiedliche Regeln und Schutzgebiete für die Vögel, sondern teils auch auf Ebene der Landkreise. Dazu komme die Frage, wie Kormorane aus Schutzgebieten vertrieben werden sollen, ohne andere bedrohte Vogelarten in der Bodenseeregion zu gefährden.

"Man sollte sich also eher überlegen: Wo sind die besonders sensiblen Bereiche für die Fische und wie kann ich die schützen?", sagt von Lindeiner. "Also gezielte Aktionen mit minimalen Eingriffen." Das sieht der Nabu Baden-Württemberg ähnlich. Um zum Beispiel die Fischart Äsche zu schützen, könne sich der Verband "gezielte, lokal begrenzte und zeitlich befristete" Maßnahmen vorstellen.

Die gebe es ja schon, halten die Bodenseefischer dagegen. Man müsse erkennen, dass es sich beim Kormoran um ein "Zuviel einer guten Sache" handle, sagt Biologe Staub. Fisch als Lebensmittel müsse zwischen Fischern und Vögeln "fair verteilt werden" - und dazu müsse die Zahl brütender Kormorane am See "massiv heruntergefahren werden".

Wie genau das klappen könnte und wie weit die Zahl der Kormorane eingeschränkt werden soll - diese Fragen will Baden-Württemberg nun in seinem "Dialogprozess" besprechen. Im kommenden Jahr sei dann ein Dialogforum "Kormoran und Fisch" geplant. Klar ist aber: Der Streit um den Kormoran am Bodensee wird so schnell nicht zu Ende gehen.

(APA/dpa)

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