Interview

Was haben Lockdowns und Social Distancing mit der kollektiven Psyche gemacht?

Was haben Lockdowns und Social Distancing mit der kollektiven Psyche gemacht? Proteste gegen die Schließung von Geschäften im Herbst 2020 in Toulouse.
Was haben Lockdowns und Social Distancing mit der kollektiven Psyche gemacht? Proteste gegen die Schließung von Geschäften im Herbst 2020 in Toulouse.(c) AFP via Getty Images (LIONEL BONAVENTURE)
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Die Schweizer Psychotherapeutin Jeanette Fischer im „Presse"-Interview über Corona, den Opfer-Schuld-Diskurs und dazu, warum das Verliebtsein gottlob rasch vergeht.

Die Presse: Seit zweieinhalb Jahren ist „Coronazeit“. Begonnen hat es mit der Angst. Sie wurde von Politik und Medien zumindest nicht gedämpft. Aber ist das schlecht? Bei Menschen ist der Instinkt verkümmert, wir müssen daran erinnert werden, dass wir uns schützen müssen . . .

Jeanette Fischer: Nennen wir das, was wir wirklich brauchen, lieber Furcht. Sie lässt uns denk- und handelsmächtig bleiben: Wir können schreien, davonrennen, Medikamente erfinden. Anders die Angst. Sie ist eine Form der Ohnmacht: Wir werden unserer Kräfte beraubt, sind wie gelähmt. Jemanden in Angst versetzen ist deshalb ein Gewaltakt, eine Ausübung von Macht. Ich will das Virus nicht verharmlosen. Aber bei den Maßnahmen bin ich gleich skeptisch geworden. Bevor man sie setzt, braucht es eine Auseinandersetzung zwischen den Disziplinen. Sie dürfen nicht schädigen.


Worin liegt für Sie der Schaden?

In solchen Situationen muss man die Abwehr stärken. Angst aber schwächt. Wie auch die Isolation: Wir sind soziale Wesen, brauchen den anderen, auch physisch, müssen ihn spüren, nicht nur in Liebesbeziehungen. Ein paar Tage lang können wir darauf verzichten, aber nicht länger. Wir Psychiater können auch nur in Ausnahmefällen eine Psychoanalyse auf Zoom machen, nicht dauerhaft.

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